Feenkind 2: Im Reich der Feen (German Edition)
sich oft sehr allein, wenn sie dem Ruf des Wassers folgten. Jedes Mal, wenn sie als bunter Schwarm aus ihrem Sichtfeld verschwanden, starrte sie ihnen sehnsüchtig nach und wünschte sich so sehr, mit ihnen gemeinsam in den kühlen Fluten zu schwimmen. Der Wunsch, ihnen zu folgen, wurde von Mal zu Mal immer stärker in ihr. Die halbdunkle Unendlichkeit des Sees um sie herum stellte schon längst keine Bedrohung mehr für Dhalia dar, vielmehr konnte auch sie sich dem Ruf des Wassers, das mit lockenden Fingern nach ihrem Herzen, nach ihrer Seele griff, kaum noch entziehen. Nur das Wissen, dass es ihren Tod bedeuten würde, bewahrte sie davor, sich kopfüber in die undurchdringliche Tiefe zu stürzen und Fiona und ihren Freunden hinterher zu schwimmen.
Diese Stunden der Einsamkeit, die sie meist allein auf dem Boden eines Tunnels hockte, umgeben von Luft, während das Wasser so unerreichbar nah um sie herum war, waren der schwierigste Teil ihres Tages. Und doch war das nicht einmal annähernd so schlimm wie ihre Nächte. Wenn sie schlief, wurde sie zunehmend von Träumen geplagt. Träumen, die sie bis in den Tag hinein verfolgten und ihr keine Ruhe ließen. Träume, die in ihr das Bedürfnis weckten, in das Wasser des Sees einzutauchen, nur um ihren überhitzten Geist dort zu kühlen, Linderung und Vergessen zu finden von den unbestimmten Ängsten und Gefühlen, die ihr Herz quälten und zerfraßen.
Es war immer das gleiche Gesicht, das sie in ihren Träumen heimsuchte. Eine Frau - blond, gütig und irgendwie traurig. Obwohl sie Dhalia nicht feindlich gesinnt zu sein schien, wünschte sie sich doch sehr, die Frau würde sie endlich in Ruhe lassen. Tag für Tag hoffte sie dies vergebens, denn Nacht für Nacht kam der Traum wieder.
Das Traumgesicht kam Dhalia merkwürdig vertraut vor, als hätte sie die Frau in einem früheren Leben einmal gekannt.
"Du musst dich erinnern. Du darfst nicht vergessen, sonst bist du verloren." Diese eine Mahnung war es, die die Gestalt Dhalia Nacht für Nacht wie aus weiter Ferne zurief.
Oft wachte Dhalia dann schweißgebadet auf, während die rätselhaften Worte in ihrem Kopf hämmerten. Woran sollte sie sich erinnern? Und wieso?
Unruhig stand sie dann auf und tauchte ihren Kopf durch das Fenster ins Wasser. Sie spürte, wie die leichte Strömung ihr sanft um die Stirn strich und wie sie selbst allmählich ruhig wurde. Dann fühlte sie sich besser, während der Traum verblasste und sie sich einreden konnte, dass er keine Bedeutung für sie hatte. Nichts hatte mehr eine Bedeutung - weder die Vergangenheit noch die Zukunft - alles, was zählte, waren der Augenblick und die Freude, die er zu bringen vermochte.
Doch leider hielt diese beruhigende Wirkung nicht lange an. Und dann blieb ihr nichts weiter übrig, als ziellos umher zu wandern, um ihre innere Unruhe zu vertreiben. Und so streifte Dhalia durch die leeren Gänge, bis Fiona und ihre Schar wieder einmal zu ihr stießen.
Eines Tages erwachte Dhalia nach einem besonders intensiven Traum. Ihr Herz pochte wild in ihrer Brust. Die nächtliche Vision war so drängend gewesen, dass Dhalia sich ihr einfach nicht länger entziehen konnte. Plötzlich schien irgendein Damm in ihr gebrochen zu sein. Sie erhob sich langsam und sah sich in ihrem Zimmer um, als hätte sie es noch nie zuvor richtig gesehen.
Sie konnte zwar nicht genau benennen, was oder weshalb, aber irgendetwas schien nicht mehr in Ordnung zu sein. Verwirrt ließ sie ihren Blick über die Einrichtung schweifen. Es hatte sich nichts verändert. Selbst das Wasser vor ihrem Fenster war genau so, wie sie es am liebsten mochte - matt erleuchtet, dunkelblau und scheinbar unendlich. Alles war gut. Und doch ließ sich das nagende Gefühl in ihrer Magengrube einfach nicht vertreiben.
Du darfst dich nicht verlieren!
hatte die Stimme ihr zugerufen.
Du musst dich erinnern!
Doch was war, wenn sie sich gar nicht erinnern wollte? Wenn es schön war, einfach vergessen zu können? Wenn sie glücklich damit war, keine Verantwortung und keine Sorgen zu haben?
Vergessen war ein sehr kostbares Geschenk.
Wie lange weilte sie eigentlich schon bei den Wasserfeen? Es kam ihr vor, als wäre sie schon immer dort gewesen, auf dem Grund des Sees, dort, wo sie hingehörte, als hätte sie nie etwas anderes gekannt. Hatte sie vorher überhaupt gelebt oder war alles nur ein Traum gewesen?
Dennoch, so leicht ließ sich die Stimme der blonden Frau aus ihren Träumen nicht abschütteln.
Dhalia schüttelte ihren
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