Feenkind 2: Im Reich der Feen (German Edition)
schwachen Schein einer Lampe sah sie die verschwommenen Umrisse einer fremden Frau, die ihr mit einem nassen Tuch die Stirn kühlte. Verständnislos starrte Dhalia sie einen Augenblick lang an, dann überließ sie sich kraftlos wieder der mächtigen Finsternis.
Sie trieb auf einem stürmischen Ozean. Gefühle, Gedankenfragmente, verworren und wirr stürmten auf ihren fiebrigen Geist ein. Dann gab es wieder klare Momente, die sie an die Oberfläche der realen Welt brachten. Sie spürte, wie ihr etwas an die Lippen gesetzt wurde, und sie trank durstig die heiße Flüssigkeit, ohne sich darum zu kümmern, was es war oder woher es kam.
Immer wieder spürte sie eine kühle Hand auf ihrer Stirn und ab und zu sah sie ein paar große dunkle Augen, die sie besorgt musterten.
Als Dhalia schließlich zu sich kam, lag sie in einem Grab. Panik stieg in ihr auf angesichts der völligen Finsternis und der stickigen Luft, die sie kaum atmen ließ. Ohne bewusst darüber nachzudenken, schrie sie los und hob ihre Hände, um gegen die Decke zu hämmern, die sie von der übrigen Welt abschnitt. "Ich bin nicht tot! Lasst mich raus! Bitte lasst mich raus!" krächzte sie.
Verwirrt hielt sie jedoch inne, als ihre Hände auf keinen Widerstand stießen. Den letzten Rest ihres Fiebertraums abschüttelnd, richtete sie sich ein wenig auf. Der ersten Erleichterung darüber, nicht lebendig begraben worden zu sein, folgte die berechtigte Frage, wo sie eigentlich war.
Es war stockfinster um sie herum und die Luft roch feucht und schimmelig.
Tastend fand sie die Kante ihres Lagers und schwang vorsichtig ihre Beine darüber. Sie spürte feuchtes, kaltes Stroh unter den Zehen. Jemand hatte ihr ihre Schuhe gestohlen. Eine Hand nach oben, falls sie sich doch in einem Kasten befand, die andere nach vorne ausgestreckt, stand Dhalia langsam auf. Überrascht keuchte sie, als ihr die Knie beinah unter ihrem Gewicht eingeknickt wären. Was auch immer vorgefallen war, es hatte ihr nicht gerade gut getan. Vorsichtig wankte sie nach vorne, bis ihre ausgestreckte Hand kalten Stein ertastete. Fugen, da waren Fugen zwischen den Steinen - sie war also in einem Haus. Tastend bewegte Dhalia sich an der Wand entlang, bis sie schließlich eine Tür entdeckte. Mit aller Kraft zog und zerrte sie an dem metallischen Griff, doch die Tür rührte sich kein bisschen. Ungeduldig, erschrocken und verärgert begann sie, mit ihren Fäusten gegen das Holz zu trommeln. "Lasst mich raus! Lasst mich auf der Stelle raus!" rief sie, so laut sie konnte.
Schließlich hörte sie schlurfende Schritte auf der anderen Seite der Tür und hielt gespannt inne.
"Halt endlich deine verfluchte Schnauze, du Hexe!" fuhr eine mürrische Stimme sie an. "Alle anständigen Menschen schlafen jetzt."
"Ich bin keine Hexe!" rief Dhalia empört aus. "Ich will sofort erfahren, was hier vorgeht!"
Der Mann auf der anderen Seite schnaubte schadenfroh. "Da musst du dich schon bis zu deinem Tribunal gedulden, Hexe!"
Tribunal! Hexe! Die Worte hallten noch in ihren Ohren nach, als sich die schlurfenden Schritte vor ihrer Tür auch schon entfernten. Vergeblich schrie Dhalia und klopfte mit der flachen Hand gegen das unnachgiebige Holz der Tür. Sie kamen nicht wieder zurück. Schließlich ließ sie sich erschöpft zu Boden sinken.
Sie wusste nicht genau, wie lange sie da gesessen hatte, zu erschüttert und zu müde, um überhaupt einen klaren Gedanken zu fassen. Vermutlich war sie in der undurchdringlichen Schwärze eingenickt. Doch schließlich wachte sie vor Kälte auf, die mit feuchten Fingern nach ihr griff und ihren Unterleib hinauf kroch. Dhalias Nacken schmerzte von der unbequemen Position, in der sie ihren Kopf gehalten hatte, und sie rappelte sich schwerfällig auf. Aufs Geratewohl taumelte sie in die Richtung, in der sie ihre Pritsche in Erinnerung hatte, und wäre beinahe gestürzt, als ihr Knie schmerzhaft dagegen prallte. Vorsichtig kroch sie darauf und zog die dünne Decke ganz über sich. Am liebsten hätte sie vor Erschöpfung, Schmerz und Angst geweint, doch das durfte sie nicht. Wenn sie sich jetzt fallen ließ, würde sie nicht mehr aufstehen können, aus dem Sumpf der Verzweiflung und des Selbstmitleids nicht mehr herausfinden.
Sie musste stark, sie musste bereit sein, wenn sie endlich den Menschen gegenüber trat, die sie gefangen hielten. Sie würde nur eine Chance bekommen, sich zu verteidigen. Wenn überhaupt. Doch darüber wollte sie nicht nachdenken.
Plötzlich hörte sie Schritte und
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