Feenkind
schnappen", sagte sie ruhig und verließ den Raum.
Chris fand sie einige Schritte vor dem Haus im Hof stehen, den Blick auf den Horizont gerichtet. Dorthin, wo über der dunklen Silhouette der umgebenden Bäume ein letzter gelblicher Streifen des Sonnenuntergangs allmählich in das tiefe blau-schwarz des Nachthimmels überging. Die schmale Sichel des Neumondes strahlte hell über ihnen und rund herum zeigten sich bereits die ersten Sterne.
Dhalia war so tief in ihre Gedanken versunken, dass sie zuerst gar nicht bemerkte, wie Chris leise hinter sie trat. Erst als er sie sanft an der Schulter berührte, zuckte sie kurz zusammen und entspannte sich wieder, als sie ihn erkannte.
Eine Zeitlang standen sie beide nur da und atmeten die frische kühle Nachtluft in vollen Zügen ein.
"Es ist so friedlich", murmelte Dhalia schließlich.
"Ja, das ist es", stimmte Chris ihr leise zu. "Schade, dass es nicht immer so sein kann."
"Doch, das kann es. Für Euch kann es das." Sie vermied es bewusst, ihn anzusehen, während sie das sagte.
"Wie meint Ihr das?" Chris legte seinen Arm schwer auf ihre Schulter und drehte sie zu sich.
"Ich werde allein weitergehen", erwiderte sie ruhig. "Ich bin nur deswegen noch hier, weil ich Euch versprochen habe, nicht wegzugehen, ohne mich zu verabschieden."
"Verabschieden? Weggehen?" wiederholte Chris verständnislos. "Aber wir sind doch Partner! Ihr könnt mich nicht einfach so abschieben!" setzte er verletzt hinzu.
"Ich will Euch doch nicht
abschieben
!" Sie sah ihn entgeistert an. "Habt Ihr vorhin denn nicht zugehört? Die alte Frau hat vorhin über
mich
gesprochen! Ich bringe Euch in Gefahr, deshalb werde ich gehen." Sie senkte ihre Augen, doch ihre Stimme blieb fest.
"So ein Blödsinn", sagte Chris überzeugter, als er sich fühlte.
"Nein, das ist es nicht. Sie hatte Recht damit, was sie über mich sagte. Ich folge einem Weg, der nicht der meine hätte sein sollen. Doch ich habe keine Wahl. Nein, das ist nicht ganz wahr", korrigierte sie sich. "Ich habe meine Wahl bereits getroffen. Und jetzt gibt es kein Zurück. Aber für Euch ist es noch nicht zu spät." Sie sah ihn beschwörend, beinahe flehend an. "Chris, du kannst es noch alles haben, all das, was du schon immer gewollt hast."
"Und was ist", er legte ihr seine Hand sanft auf die Wange, "wenn dies alles nicht länger das ist, was ich haben möchte?" Er lächelte leicht, während sie ihn mit großen Augen ansah. "Glaubst du, ich könnte dich im Stich lassen?" fragte er flüsternd. "Mich nach allem, was wir gemeinsam erlebt haben, abwenden und ein ruhiges mittelmäßiges Leben führen?"
"Aber ich weiß nicht, ob wir Erfolg haben werden." Dhalia senkte den Blick, um dem, was in seinen Augen lag, zu entgehen.
Chris räusperte sich. Er hatte den Wink verstanden. "Ein Grund mehr, dich zu begleiten." Er lächelte schief. "Ohne mich bist du doch vollkommen aufgeschmissen." Er keuchte leise auf, als sie ihm spielerisch ihren Ellbogen zwischen die Rippen stieß.
"Danke", sagte sie leise.
"Ist doch klar", winkte er ab. "Ich habe die Hoffnung, aus dir doch eine anständige Schmugglerin zu machen, eben noch nicht aufgegeben."
Sie lachte. "Gegen uns beide haben die Feenschätze keine Chance, Partner."
"Das meine ich auch."
Sie wandte sich ab. Nachdenklich blickte er ihr nach, als sie zurück ins Haus ging. Ob das gerade die Entscheidung gewesen war, von der Lenuta gesprochen hatte? Wenn ja, dann bereute er es nicht. Er hatte genug von einem Spieler in sich, um die riskante Chance auf einen Hauptgewinn der sicheren Bedeutungslosigkeit vorzuziehen. Er hörte, wie die Tür hinter Dhalia ins Schloss fiel. Nein, er bereute es nicht. Er hätte bloß zu gern gewusst, wohin die Reise eigentlich ging.
Außer ihrer eigenen Kammer und der Küche gab es in Lenutas Haus nur noch einen weiteren Raum, den sie Dhalia und Chris für die Nacht zur Verfügung stellte.
Chris überließ Dhalia großzügig die niedrige gepolsterte Bank an der Wand und streckte sich selbst auf dem gewienerten Holzboden aus. Obwohl er schon seit Wochen mit ihr unterwegs war, war es doch etwas ganz anderes, mit ihr plötzlich in einem Raum, umgeben von vier soliden Wänden, zu schlafen, als an einem Lagerfeuer mitten in der Wildnis. Er hörte ganz deutlich ihre tiefen ruhigen Atemzüge und ihr leichter Kräuterduft schien auf einmal den gesamten Raum auszufüllen. Chris seufzte und drehte sich auf die Seite, den Rücken zu ihr gewandt, in dem fruchtlosen Versuch, ihre Gegenwart aus seinen
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