Feenring (German Edition)
Qual. Ein Wunsch dagegen drückte ein grundlegendes, instinktives Bedürfnis aus, ohne dass ein bewusster Gedanke die Entscheidung begleitete.
Ich respektierte Johnnys Anliegen, uns nicht in seinem Kopf haben zu wollen. Deshalb entschied ich mich lieber für die Wahl, damit er sich aussuchen konnte, was er mit uns teilen wollte.
Aber wenn Menessos auch die Chance bekam, sich zu entscheiden, was er teilen wollte und was nicht … lag darin eine weit größere Gefahr. Trotzdem nahm sich auch der Gedanke, dass er sich eines Teils meiner Seele nach Wunsch bemächtigte, nicht wie die beste aller Möglichkeiten aus.
Die fundamentale Frage jedoch war: Vertraute ich, um die richtige Wahl zu treffen, auf mein Herz und meinen Verstand oder lieber auf mein Unterbewusstsein?
»Jetzt weiß ich, wieso Una das hier nicht tun wollte«, murmelte ich.
»Warum sagst du so etwas?«
»Dem einen werde ich die Wahl lassen. Dem anderen … traue ich in keiner Hinsicht.«
Die Alte lachte. »Warum traust du Menessos weniger?«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich ihn meine.«
»Das musst du gar nicht.«
Toll. »Weil er sich besser als Johnny oder ich darauf versteht, die Situation zu seinem Vorteil zu beeinflussen.«
»War sein Vorteil dir denn so zuwider?«
»Nein.«
»Dann entscheide du, welches Geschenk du ihm machst.«
Wahl oder Wunsch . Also beides . »Ich werde Johnny erlauben, sich zu nehmen, was er sich wünscht, aber was Menessos bekommt, werde ich entscheiden.
»So wird’s gemacht, und nun, Kind, knie vor mir nieder.«
Obwohl sie mich als Lustrata erwählt hatte, fühlte ich mich unbehaglich, der bewaffneten alten Hexe so nahe zu kommen. Weigern konnte ich mich indes nicht. Also trat ich vor und ging vor ihr in die Knie. Nackt bis auf den Mantel der Lustrata.
Sie setzte sich sogleich in Bewegung. Ihre altersfleckigen, schwieligen Hände schwangen die Sense im weiten Bogen. Die Klinge pfiff durch die Luft, der Luftzug fuhr mir ins Haar. Ich zuckte nicht mit der Wimper, versuchte, mir aber Klarheit über ihr im Schatten der Kapuze verborgenes Gesicht zu verschaffen. Ihre Augen, so erinnerte ich mich, blickten deprimiert.
Plötzlich schrie Hekate, und die Spitze der Sense bohrte sich vor mir in den Boden, sodass sich die Klinge an ihrer breitesten Stelle in Taillenhöhe befand. »Richte deinen Blick auf diese Klinge!«, befahl sie, dann flatterte ihre Kapuze, fiel zurück und entblöße ihr faltiges Gesicht, befreite das graue Haar und fürchterliche Augen, die seit Menschengedenken die Sonne schauten. »Blicke ins Silber und erkenne deine Seele!«
30
Ich fixierte die Klinge, erkannte aber nichts. Kein Abbild. Gar nichts.
Wo war ich?
Ich hob die Hände zur Sense, um mich von ihrer Echtheit und der Korrektheit ihres Neigungswinkels zu überzeugen. Die Oberfläche glänzte, wie sie es sollte …
Mit dem Finger strich ich seitlich über einen Teil der scharfen Klinge. Als sie meine Haut spaltete, spürte ich einen scharfen Schmerz. Ich zuckte zurück. Ein glitzernder, viel zu roter Blutstropfen rann langsam an der rasiermesserscharfen Schneide hinunter. Dann sah ich mich, mit dem Ausdruck der Überraschung, im Schimmer des blanken Sensenblatts. Schließlich verging mein Bild wie Rauch.
Was blieb, glühte matt, fast unsichtbar, das Klischee eines Kinogeistes. Trotzdem knickten meine Sinne unter dem Anblick ein. Mein Hirn verzerrte sich, als würden meine Wahrnehmungen greifbar. Ich sah mit meiner Haut. Ich sah alles, was mich umgab, auf einmal. Was zuvor mein Gesichtssinn gewesen war, prüfte nun mit immateriellen Fingern die Oberfläche des Sensenblatts. Tentakel? Nein, eher Lichtbögen, Elektrizität, die energetisch tastete, fühlte und begriff. Die Klinge fühlte sich an wie Radiostatik.
Für einen kurzen, perfekten Moment wurde mein Bewusstsein als sanftes, mich bergendes Licht neu zusammengesetzt, massiv wie eine Ritterrüstung, doch zugleich nebulös wie eine Wolke. Das Licht durchdrang meine Haut, meine Aura. Energie pulsierte darin wie in einem Blutkreislauf, in dem statt des Blutes die lebenden Erinnerungen eines ganzen Lebens zirkulierten. All das machte mich zu der Person, die ich war, und ermöglichte diese Synthese.
Meine Seele!
Die Enthüllung war überwältigend und so lebendig, dass …
Ein Zwinkern, und die Ortsverbindung war gekappt.
Nein! Ich war noch nicht so weit!
Ich stürzte im freien Fall und mit Überschallgeschwindigkeit in mich selbst zurück.
Ich wollte, dass Menessos meine erste
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