Feentod
niedrigen Tisch. »Magst du mir sagen, was dich bedrückt?« Korinna setzte sich in den Sessel gegenüber der Couch und lächelte sie aufmunternd an. Beim Blick in ihr liebes Gesicht krampfte sich Norayas Herz zusammen. Am liebsten hätte sie sich ihrer Lehrerin einfach nur in die Arme geworfen und geheult. Sie wusste gar nicht, wo sie anfangen sollte. Mit dem Schatten? Oder ihrem Vater? Dem Streit mit Alina? Oder mit Faris? Innerlich stöhnte sie auf, als ihr bewusst wurde, was alles innerhalb der letzten zwei Wochen passiert war.
»Gibt es wieder Probleme mit deinem Vater?«
Dankbar für Korinnas Stichwort, begann sie mit dem heutigen Zeitungsartikel und dem Streit. Einmal angefangen, sprudelte alles aus ihr heraus. Sie erzählte Korinna von ihrer Begegnung mit Faris, von ihrem Schock, als sie erfahren hatte, was ihm zugestoÃen war, und von ihrer Angst, dass die Polizeiermittlungen ihrem Vater einen zufälligen Hinweis über ihre Bandmitgliedschaft liefern könnten.
»Jetzt will er mir sogar verbieten, tagsüber auf irgendwelche gröÃeren Veranstaltungen zu gehen!«
»Aber er kann dir doch nicht alles verbieten«, warf Korinna aufgebracht ein. »Was sagt denn deine Mutter dazu?«
»Wenn sie versucht, ihn umzustimmen, fällt er über sie her. Die haben zurzeit viel Knatsch miteinander.«
»Kein Wunder. Ganz ehrlich. Wenn dein Vater mein Mann wäre, dann würde ich mir das nicht gefallen lassen.« Noraya war überrascht. So deutlich hatte Korinna bisher noch nie ihre Meinung kundgetan.
»Aber wenn sie sich ganz offen gegen seine Ansichten richten würde, dann würde alles eskalieren«, nahm sie ihre Mutter in Schutz. »Er würde Helia und mich auf ein Internat nach Tunesien stecken. Das geht schneller, als du glaubst.«
»Gegen den Willen der Mutter wäre das Kindesentführung«, hielt Korinna dagegen. Noraya konterte: »In Tunesien schert sich da keiner drum.«
»Aber in Deutschland, Nora. Da schert man sich darum und da lässt man nicht zu, dass ein Vater seine Töchter so mir nichts, dir nichts aus ihrer Heimat verschleppt.« Korinna stand auf, setzte sich neben Noraya und legte ihr spontan einen Arm um die Schulter.
»Ich kenne aber genau solche Geschichten«, schluchzte Noraya. AuÃer Alina hatte sie bisher noch nie mit jemandem auÃerhalb der Familie über ihre Angst gesprochen. Auch wenn Korinna, genau wie Alina, den Ernst ihrer Lage nicht wirklich zu verstehen schien, tat es gut, endlich mal wieder darüber zu reden. Nur zu gerne hätte sie Korinna geglaubt, dass alles nur eine leere Drohung war, die ihr Vater niemals durchsetzen konnte. Aber seit sie einen langen Artikel über eine Frau gelesen hatte, die als junges Mädchen von ihrem Vater nach Jordanien entführt worden war, wusste sie, dass Papas Drohungen ernst zu nehmen waren.
»Soll ich vielleicht einmal mit deinem Vater reden?«, schlug Korinna schlieÃlich vor.
Noraya winkte ab. »Danke für dein Angebot. Aber das Risiko, dass es schiefläuft, will ich nicht eingehen. Am Ende verbietet er mir dann auch noch die Stunden bei dir.«
Als Noraya nach einer langen, tränenreichen Umarmung durch die Dunkelheit nach Hause lief, tat es ihr leid, dass sie Korinna nicht auch etwas vom Schatten erzählt hatte. Vielleicht hätte die Gesangslehrerin eine Idee gehabt, wie sie sich verhalten sollte? Aber was hätte Korinna ihr schon raten können, auÃer bei dem perversen Spiel auf keinen Fall mitzuspielen. Und das kam nicht infrage. Wenn sie den Erpresser ignorierte, würde das ihr sicheres Aus bei Engelhauch bedeuten.
Alles nur, weil mein blöder Vater so ein engstirniger Arsch ist!, fluchte Noraya im Stillen. Sie war so damit beschäftigt, sich über ihren Vater aufzuregen, dass sie die dunkle Gestalt, die ihr schon seit geraumer Zeit in einem Abstand von ein paar Metern folgte, nicht bemerkte. Erst das Auslösegeräusch eines Fotoapparats und der helle Schein des Blitzlichts rissen sie aus ihren Gedanken. Erschrocken sah sie sich um. In der kleinen Parkanlage war es ziemlich dunkel, das Laub der groÃen Bäume schien alles Licht zu schlucken.
Der Schatten!, durchfuhr Noraya ein einziger Gedanke und augenblicklich schlug ihr das Herz bis zum Hals. In Panik, ohne sich noch einmal umzudrehen, rannte sie bis nach Hause.
17.
S chon wieder hing Ãrger in der Luft. Bereits beim
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