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Feentod

Feentod

Titel: Feentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Breinl
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als krass. Das war gestört.
    Â»Wenn du mich fragst, war das schon die erste Aktion deines Stalkers«, sagte Staff ernst und trat auf sie zu. Beruhigend legte er ihr eine Hand auf die Schulter. »Erinnere dich! Wie sah er aus?«
    Noraya schloss die Augen und versuchte, sich zu erinnern. Leider hatte sie nur ein ganz schemenhaftes Bild vor Augen. »Relativ groß und schlank war er, glaub ich – so wie du«, flüsterte sie. Sosehr sie sich auch bemühte, an sein Gesicht oder seine Frisur konnte sie sich einfach nicht erinnern. Es blieb ein schwarzer Fleck. »Durch die Kapuze habe ich nicht viel von ihm gesehen. Es war dunkel und alles ging rasend schnell.« Noraya schüttelte traurig den Kopf.
    Â»Besteht die Chance, dass einer der anderen ihn vielleicht gesehen hat?«
    Â»Ich fürchte nicht. Die waren alle schon weg, als der Typ ankam. Deswegen war es ja so gruselig.«

22.
    N oraya hatte ihren Beobachtungsposten bezogen. Vom Dachfenster aus bot sich die beste Sicht auf das schräg gegenüberliegende Nachbarhaus. Über eine halbe Stunde saß sie nun schon auf dem Dachboden und schaute in regelmäßigen Abständen durch ein altes Kinderfernglas zu dem erleuchteten Fenster im ersten Stock des Hauses. Es war noch immer weit geöffnet und ab und zu konnte sie einen Blick auf Urgro erhaschen. Manchmal beugte er sich sogar hinaus und blickte stumpf auf die Straße oder gen Himmel. Als wollte er prüfen, ob sich das Gewitter verdichtet hatte, das schon seit dem späten Nachmittag in der Luft lag.
    Noraya spürte, wie ihr der Schweiß den Nacken herunterlief. Hier unterm Dach war die schwüle Abendluft am drückendsten. Trotz der Hitze konnte sie sich aber nicht durchringen, ihren Posten zu verlassen. Ihre Aktion mochte absurd sein, aber nach dem Gespräch mit Staff war das Bedürfnis herauszubekommen, wer hinter den Erpressungen stand, einfach zu groß gewesen. Urgro war nach wie vor der Einzige, der ihr einfiel. Ihn zu beobachten, war ein Leichtes und gab ihr das Gefühl, endlich selbst aktiv werden zu können. Zuerst hatte sie ihn ohne das Fernglas beobachtet. Aber als er das erste Mal an das offene Fenster trat, wuchs in ihr der Wunsch, sein Gesicht aus nächster Nähe zu sehen. Vielleicht konnte sie erkennen, ob er es gewesen war, der ihr damals die Rose übergeben hatte. Aufmerksam studierte sie sein Gesicht. Durch das Vergrößerungsglas der Linse wirkte er noch blasser als sonst. Seine tief liegenden Augen und die dichten Brauen unterstrichen diesen Eindruck noch. Zu Norayas Überraschung sah er ansonsten aber ziemlich normal aus. Einzig seine Kleidung verlieh ihm einen Hauch von Verrücktheit. Noraya fand es unglaublich, wie sich jemand mit maximal zwanzig Jahren so kleiden konnte: Sein rot-weiß kariertes langarmiges Hemd hatte er in eine gürtellose graue Bundfaltenhose gestopft. Darunter blitzte ein weißes Feinripphemd hervor. Und das bei dem Wetter! Alleine beim Gedanken an ein Unterhemd schwitzte sie noch stärker. Ein letztes Mal richtete sie das kleine Fernglas auf das Fenster gegenüber, dann beschloss sie, ihren Beobachtungsposten zu verlassen. Es passierte ja doch nichts.
    Â»Was hast du da oben so lange gemacht?«, empfing Helia sie am Treppenabsatz. Noraya nuschelte etwas von »Gewitterwolken beobachten für ein Erdkundereferat« und wechselte dann schnell das Thema, bevor ihre kleine Schwester noch misstrauisch wurde.
    Â»Sag mal, Helia, hast du in letzter Zeit mal das Gefühl gehabt, dass dich jemand verfolgt?«
    Â»Mich verfolgt?« Helia machte große Augen. »Wie kommst du denn auf so was?«
    Â»Denk einfach mal nach, ob es eine Situation gab – vielleicht auf dem Nachhauseweg –, wo du das Gefühl hattest, dass irgendwas anders ist als sonst.«
    Â»Du stellst Fragen. Da wüsste ich nix. Was sollte denn anders sein als sonst?«
    Â»Ach, ich frag nur so. Damit du immer dran denkst, dass man aufpassen muss.«
    Â»Fängst du jetzt etwa auch noch an? Du bist ja schon wie Papi!«, empörte sich Helia und verschwand genervt in ihrem Zimmer.
    Â»Wer ist hier wie ich?« Herr Al-Abi trat aus seinem Arbeitszimmer, in dem er neuerdings die meiste Zeit des Tages verbrachte. »Das kann ja nur ein Kompliment gewesen sein«, fügte er hinzu und grinste schief. Für seinen Versuch, witzig zu sein, hatte Noraya nur ein müdes Lächeln übrig. Wortlos

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