Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feenzorn

Feenzorn

Titel: Feenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
beschränkte sich auf das Pistolenputzzeug, das neben dem Halfter ihrer Automatik auf dem Tisch lag, und ein Holzregal über dem Kamin, in dem zwei überkreuzte japanische Schwerter lagen, eines lang und eines kurz. Das war die Murphy, die ich kannte und liebte. Praktisch und jederzeit eine Waffe in Reichweite. Neben den Schwertern stand eine kleine Reihe gerahmter Fotos – vielleicht ihre Angehörigen. Auf dem Kaffeetisch lag ein aufgeschlagenes dickes Fotoalbum, offenbar in echtes Leder eingebunden, daneben standen eine Arzneiflasche und eine Karaffe mit einer Art Schnaps. Gin vielleicht? Die Karaffe war halb, das Glas daneben ganz leer.
    Ein wenig abwesend ließ sie sich in ihrem zu großen Bademantel an einem Ende des Sofas nieder, ohne mich anzublicken. Ich machte mir Sorgen, weil ihr das nicht ähnlich sah. Sonst ließ sie keine Gelegenheit aus, ein kleines Wortgeplänkel mit mir anzufangen. So still und in sich gekehrt hatte ich sie noch nie erlebt.
    Verdammt, ausgerechnet jetzt, da ich schnelle und tatkräftige Hilfe brauchte. Mit Murphy stimmte etwas nicht, aber mir fehlten die Fähigkeiten, um mich als Psychologe zu versuchen. Ich brauchte alle Informationen, die sie mir nur geben konnte. Außerdem musste ich ihr bei dem helfen, was sie so verletzt hatte. Ich war ziemlich sicher, dass ich nichts davon erreichte, wenn ich sie nicht zum Reden brachte.
    »Eine nette Wohnung«, sagte ich zu ihr. »Ich war ja noch nie hier.«
    Sie hob eine Schulter, was wohl ein Achselzucken sein sollte.
    Ich runzelte die Stirn. »Wenn Ihnen das Reden zu viel ist, können wir es auch mit einem Ratespiel versuchen. Ich fange an.« Ich hielt fünf gespreizte Finger hoch. Murphy sagte nichts, also lieferte ich auch ihre Seite des Dialogs mit. »Fünf Worte.« Ich zupfte an meinem Ohr. »Wie zum Beispiel… Was hat Sie so verletzt?«
    Sie schüttelte den Kopf, und ihr Blick wanderte zum Fotoalbum.
    Ich beugte mich hinüber und drehte es zu mir herum. Auf der aufgeschlagenen Seite waren mehrere Hochzeitsfotos zu sehen. Das Mädchen darauf musste Murphy sein. Sie hatte damals noch längere, hellere Haare gehabt und eine Art jugendliche Schlankheit, die vor allem am Hals und den Handgelenken erkennbar war. Sie stand in einem weißen Hochzeitskleid neben einem Mann im Smoking, der sicher zehn Jahre älter war als sie. Auf einigen anderen Fotos schob sie ihm Kuchen in den Mund oder trank mit verschränkten Armen mit ihm. Das übliche Hochzeitsgetue. Er hatte sie bis zum Fluchtwagen getragen, und auf diesem Foto war Murphys lachendes, glückliches Gesicht eingefangen.
    »Ihr erster Mann?«, fragte ich.
    Damit erreichte ich sie endlich. Murphy blickte einen Moment zu mir auf, dann nickte sie.
    »Sie waren ja fast noch ein Kind. Achtzehn vielleicht?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Siebzehn?«
    Sie nickte. Wenigstens reagierte sie jetzt auf meine Fragen.
    »Wie lange waren sie mit ihm verheiratet?«
    Schweigen.
    »Ich bin nicht gerade ein Genie, wenn es sich um so etwas dreht. Aber wenn Sie wegen irgendetwas Schuldgefühle haben, dann gehen Sie vielleicht mit sich selbst zu hart ins Gericht.«
    Ohne ein weiteres Wort beugte sie sich vor, hob das Fotoalbum auf und schob es zur Seite. Darunter kam eine Ausgabe der Tribune zum Vorschein. Die Todesanzeigen waren aufgeschlagen. Sie gab mir die Zeitung.
    Ich las die oberste laut vor. »Gregory Taggart starb gestern Abend nach langem Kampf mit seiner Krankheit im Alter von dreiundvierzig Jahren an Krebs…« Ich hielt inne und betrachtete das Foto des Toten, dann wieder Murphys Fotoalbum. Es war derselbe Mann, nur eben etwas älter. Ich zuckte zusammen und ließ die Zeitung sinken. »O Gott. Es tut mir leid. Es tut mir ja so leid.«
    Sie blinzelte einige Male, und als sie dann sprach, klang ihre Stimme belegt und war sehr leise. »Er hat mir nicht einmal gesagt, dass er krank war.«
    Eine schöne Bescherung. »Murph, hören Sie, ich bin sicher, dass… irgendwie wird sich alles wieder einrenken. Ich weiß, dass es Ihnen wehtut und wie Sie sich fühlen müssen, aber…«
    »Wissen Sie das wirklich?«, fragte sie, immer noch sehr leise. »Haben Sie auch Ihre erste große Liebe verloren?«
    Ich schwieg eine ganze Weile, ehe ich antwortete. »Ja, allerdings.«
    »Wie hieß sie?«
    Es tat weh, mich an den Namen zu erinnern, ganz zu schweigen davon, ihn auszusprechen. Doch wenn es half, um Murphy wachzurütteln, dann durfte ich nicht zimperlich sein. »Elaine. Wir waren… wir waren beide Waisen und

Weitere Kostenlose Bücher