Feenzorn
einer Woche fünfmal durch die Fahrprüfung gefallen bist? Oder dass du dir die Schulter verrenkt hast, als du mich in der Schule beeindrucken und als Footballspieler angeben wolltest? Dass wir in unserer ersten gemeinsamen Nacht den Seelenblick gewechselt haben? Ich glaube, ich kann mich sogar noch an die Kombination unseres Spinds erinnern.«
»Mein Gott, Elaine.« Ich schüttelte den Kopf. Es war einfach nicht zu fassen, sie lebte noch. »Warum hast du dich nicht bei mir gemeldet?«
Undeutlich konnte ich erkennen, dass sie sich an die Wand lehnte. Sie schwieg eine Weile, als müsste sie genau überlegen, was sie sagen wollte. »Zuerst, weil ich nicht einmal wusste, ob du überlebt hattest. Danach…« Sie schüttelte den Kopf. »Ich war nicht sicher, ob ich es wollte. Ob du mich wolltest. Es ist so viel geschehen.«
Schock und ungläubiges Staunen wichen, als die Schmerzen und eine alte, sehr alte Wut erwachten. »Das ist äußerst zurückhaltend ausgedrückt«, antwortete ich. »Du wolltest mich vernichten.«
»Nein«, sagte sie. »Gott, nein, Harry. Du verstehst es nicht. Das habe ich nie gewollt.«
Meine nächsten Worte waren erheblich schärfer. »Deshalb hast du mir ja auch diesen Fesselspruch auferlegt und mich festgenagelt, damit Justin mich erledigen konnte.«
»Er wollte dich nicht töten…«
»Nein, er wollte nur in meinen Kopf eindringen und mich kontrollieren. Damit wäre ich eine Art…« Vor Bitterkeit brachte ich den Satz nicht zu Ende.
»Er wollte dich knechten«, sagte Elaine leise. »Er wollte dich mit Sprüchen an sich binden und sich deiner Treue versichern. Er wollte dich in seinen Bann schlagen.«
»Das ist schlimmer als der Tod, und du hast ihm geholfen.«
Jetzt wurde auch sie zornig. »Ja, ich habe ihm geholfen. Ein Bann wirkt nun einmal so.«
Mein Zorn verflog so rasch, wie er gekommen war. »Was… was sagst du da?«
Im Zwielicht konnte ich erkennen, wie sie den Kopf hängen ließ. »Justin erwischte mich ungefähr zwei Wochen, bevor er den Dämon ausschickte, der dich fangen sollte. Erinnerst du dich noch, dass ich an diesem Tag krank war und zu Hause blieb? Als du aus der Schule zurückkehrtest, hatte er mich schon überwältigt. Ich wollte gegen ihn kämpfen, aber ich war noch ein Kind und hatte nicht genug Erfahrung, um mich gegen ihn zu wehren. Nachdem er mich in seinen Bann geschlagen hatte, sah ich natürlich keinen Grund mehr, den Kampf fortzusetzen.«
Ich starrte sie ein paar lange Augenblicke an. »Dann konntest du also gar nicht anders.« Ich schnaufte schwer. »Er hat dich gezwungen, ihm zu helfen.«
»Ja.«
»Warum zum Henker sollte ich dir das glauben?«
»Das erwarte ich gar nicht.«
Ich stand auf und schritt ruhelos hin und her. »Ich kann nicht glauben, dass du mir jetzt erzählst, dieser Teufel hätte dich gezwungen. Ist dir klar, wie fadenscheinig sich diese Entschuldigung anhört?«
Nachdenklich und traurig betrachtete Elaine mich. »Es war keine Entschuldigung. Nichts kann die Schmerzen wiedergutmachen, die ich dir zugefügt habe.«
Ich blieb stehen. »Warum erzählst du es mir dann?«
»Weil es gesagt werden muss«, erwiderte sie leise. »Weil es genau so geschehen ist. Du hast es verdient, es zu erfahren.« Darauf schwieg ich eine Weile. Schließlich fragte ich: »Hat er dich wirklich in seinen Bann geschlagen?«
Elaine schauderte und nickte.
»Wie war es?«
Sie nagte an der Unterlippe. »Ich erkannte nicht einmal, dass es geschah, zumindest nicht sofort. Mir fehlte auf einmal die Fähigkeit, einen klaren Gedanken zu fassen. Justin erzählte mir, du müsstest einfach nur einige Dinge einsehen. Ich sollte dich lange genug ruhigstellen, damit er dir alles erklären konnte, und das wäre auch schon alles. Ich glaubte ihm, ich vertraute ihm.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich wollte dich nie verletzen, Harry. Niemals. Es tut mir leid.«
Ich setzte mich und rieb mir die Augen. Ohne den Zorn, der mich antrieb, blieb mir nur noch der Schmerz. Ich hatte gedacht, ich hätte Elaines Verrat und ihren Tod überwunden, all das läge längst hinter mir, und ich könnte weiterziehen. Das war falsch. Die Wunden waren wieder aufgerissen und schmerzten ebenso sehr wie damals. Vielleicht sogar noch stärker. Ich hatte Mühe, meinen Atem und meine Stimme zu kontrollieren.
Ich hatte sie geliebt, und ich wollte ihr gern glauben.
»Ich… ich habe dich gesucht«, sagte ich leise. »In Feuer und Wasser. Ich habe Geister die Erde nach dir absuchen lassen, um eine
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