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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Ein penetranter
Chemikaliengeruch hing im Raum.
    Karin saß vor einem von unten beleuchteten Kasten, schob in einen
Schlitz an der Seite die Negativstreifen, die sie dann vergrößert und gut
ausgeleuchtet betrachten konnte.
    Die Kiesel strahlten, als sie die Tasse entgegennahm. „Ich hab gerade
von dir geträumt“, sagte sie.
    „He, du sollst dieses verdammte Negativ suchen.“ Er setzte sich auf
die Tischkante.
    „Ich weiß. Aber ich … Chris.“ Sie schlug die Augen nieder. „Du bist
nur da nebenan, und ich vermisse dich schon. Ist das normal?“
    Es schien ihr mit der Frage ernst zu sein. Deshalb ging er ebenso
ernst darauf ein. „Völlig normal, mein Engel!“, antwortete er. „Du bist eben
über beide Ohren verliebt. Und zu deiner Beruhigung: Mir geht´s genauso.“
    Er rutschte vom Tisch und gab Karin einen Kuss. „Reicht das für die
nächste Stunde?“
    „Halbe“, knurrte sie und grinste verschmitzt. „Und jetzt verschwinde,
ich muss arbeiten.“
    Warten. Auf einem unbequemen Stuhl hocken und warten. Gemeinsam mit
Susanne den Keller in blauen Dunst hüllen und ab und an einen Schluck kalt
gewordenen Kaffee schlürfen.
    Chris war tief in den Stuhl gerutscht und hatte die Beine auf einen
Stapel Werbeprospekte gelegt. Während er versuchte, die Tulpen auf dem Bild zu
zählen, verzog er immer wieder das Gesicht. Er hasste kalten Kaffee fast ebenso
wie Tee.
    Sie wechselten kein Wort, brüteten nur dumpf vor sich hin und blickten
ab und an auf diese unselige Glühbirne, die immer noch dunkel war. Es würde
dauern. Natürlich. Es waren über vierzig Filme mit je sechsunddreißig Bildern,
die Karin durchgehen musste. Und wenn sie dann das Negativ gefunden hatte,
wollte sie einen aufwändigen Handabzug machen, um die beste Qualität zu
erzielen.
    Von außen drang kein Geräusch in den Keller, und auch aus dem
Nebenraum war nichts zu hören. Nichts deutete drauf hin, dass sich dort jemand
befand und vielleicht die Lösung des ganzen Falls in Händen hielt. Wie Blei lag
die Stille im Raum, eine zähe Masse, die sich schwer auf die Schultern legte,
ins Gehirn waberte und jeden Gedanken zu grauer, undefinierbarer Pampe werden
ließ.
    „Chris!“
    Erschrocken fuhr er zusammen und folgte dann dem Blick von Susanne.
Die rote Lampe leuchtete. Wie gebannt starrten beide darauf, wurden unruhig,
scharrten mit den Schuhen, zündeten sich die x-te Zigarette an.
    Aber es dauerte noch mal eine halbe Stunde, bis die Lampe endlich
erlosch und fast gleichzeitig die Tür geöffnet wurde. Karin kam blinzelnd nach
draußen, geblendet von so viel Licht, und nahm sich aus der Packung von Chris
eine Zigarette.
    Susanne stürzte an ihr vorbei nach nebenan, dicht gefolgt von Chris.
    „Vorsicht! Es ist noch nass!“, rief Karin, bevor sie, die qualmende
Zigarette zwischen den Lippen, hinterher trottete.
    Sie hatte Recht gehabt. Es war ein grandioses Farbenspiel. Das Bild
schien in Rot förmlich zu ersaufen, mittendrin ein einzelner Baum, dessen Schatten
wie ein schwarzer Schirm über dem Rot lag. Es hätte eine perfekte Aufnahme sein
können, wäre am unteren Bildrand nicht der leicht unscharfe Kopf eines Mannes
gewesen. Neben ihm befand sich eine zweite Person. Ein Stück Schulter und ein
Oberarm schauten hervor. Der Kopf war leider von dem Ersten verdeckt.
    „Ich hatte natürlich auf dem Baum scharfgestellt“, erklärte Karin, die
dicht hinter Chris getreten war. „Deshalb ist der vordere Bereich verschwommen.
Ich hab ein bisschen rumgebastelt, aber besser krieg ich´s nicht hin.“
    „Geht das auch größer?“, fragte Susanne knapp.
    „Ja! Allerdings wird es mit zunehmender Größe noch körniger. Ich
glaube, mehr lässt sich nicht rausholen.“
    „Kann ich das Negativ und das Bild haben?“
    „Ich leg den Abzug nur schnell in die Trockenpresse, dann können Sie
es mitnehmen.“

Einunddreißig
     
    Sie waren zu
erschöpft und zu müde, um noch großartig nachzudenken und dem Gehirn
irgendwelche Verrenkungen zuzumuten. Zwei Zigarettenlängen bei mehr als gut
gefüllten Whiskygläsern und ein bisschen kuscheln, das war alles, wozu sie noch
in der Lage waren.
    Chris saß auf der Couch und hatte die Beine auf den Glastisch gelegt.
Mit einer Hand kraulte er Karins Locken, die lang ausgestreckt dalag und ihren
Kopf in seinen Schoß gebettet hatte.
    „Wie macht sie das bloß?“, fragte sie unvermittelt und schob das
Whiskyglas auf ihrem Bauch hin und her.
    „Wer? Was?“
    „Na, die Braun! Sie ist mindestens so lange auf

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