Feind des Feindes
heißen. Wir haben mit größtem Interesse festgestellt, daß Sie jetzt in den diplomatischen Dienst eingetreten sind, und wir betrachten es als eine Ehre, daß die schwedische Marine einen ihrer höchstqualifizierten Nachrichtenoffiziere in unsere Hauptstadt entsandt hat. Wie Sie wissen, Herr Fregattenkapitän, sind die Beziehungen unserer beiden Staaten jetzt besser als seit vielen Jahren. Stimmen Sie mir darin zu, Herr Kapitän zweiten Rangs?«
Und als der Dolmetscher plötzlich verstummte und Carl aufging, daß man eine direkte Frage an ihn gerichtet hatte, verlor er zunächst vollkommen den Faden.
»Du solltest versuchen zu antworten«, flüsterte sein Vorgesetzter und stieß ihm leicht gegen den Ellbogen.
»Sir… oder vielmehr Herr Vizeadmiral«, begann Carl auf englisch, während er die ihm gestellte Frage zu rekapitulieren versuchte, »ich bin natürlich vollkommen einer Meinung mit Ihnen. Wir sehen nicht nur die Entwicklung in Ihrem Land mit dem größten Optimismus und großer Befriedigung, sondern auch die Verbindungen und die verbesserten Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern.«
Er atmete aus und wechselte einen schnellen und kontrollierenden Blick mit seinem Vorgesetzten, während die sicher überflüssige Übersetzung erfolgte. Denn der russische Vizeadmiral ließ sofort seine nächste Frage folgen, die den beiden Schweden schon vor der Übersetzung das Gefühl gab, sich in einem bösen Traum zu befinden: »Und worauf gedenken Sie Ihre Spionagetätigkeit in der nächsten Zeit zu richten?«
Soviel Carl verstand, war es eine Frage, die Lichtjahre von diplomatischer Etikette und ebenso weit von seinen Vorstellungen von förmlichen Gesprächen mit offiziellen Russen entfernt war. Überdies lachte der alte Seebär, während er auf Antwort wartete.
»Ich habe die Tätigkeit im besonderen Nachrichtendienst beendet und habe jetzt vor, meinen Auftrag als schwedischer Diplomat in Ihrer Hauptstadt nach bestem Vermögen zu erfüllen«, erwiderte Carl, der spürte, wie er nach und nach die Kontrolle über sich zurückgewann.
»Ja, ja«, lachte der Russe, der dann englisch weitersprach, ein Englisch, das erstaunlich gut war, wenn auch von einem harten Akzent geprägt. »Aber für welche Objekte werden Sie sich bei Ihrer legalen Nachrichtentätigkeit besonders interessieren, solange Sie hier sind? Sagen Sie es ruhig, denn wir können Ihnen vielleicht behilflich sein?«
»Eigentlich habe ich einige Besuche im Baltikum geplant, und das aus Gründen, die ich in so qualifizierter Gesellschaft nicht näher zu erläutern brauche, aber wenn Sie mich schon fragen, kann ich wohl sagen, daß eine Besichtigung Ihrer geheimen Anlagen in Murmansk außerordentlich interessant für mich wäre.«
Der Russe ließ ein langes, lärmendes Lachen hören, in das seine beiden Kapitäne zur See nach einigem Zögern einstimmten.
»Sie haben Mumm, mein junger Herr Kapitän zweiten Rangs, Sie haben wirklich Mumm! Aber was Murmansk angeht, dürfte es damit wohl sein wie mit der Musko-Basis bei Ihnen zu Hause. Solche Anlagen läßt man nur von alten Herren mit viel Gold an den Rangabzeichen besuchen, von alten Herren, die nämlich nicht mehr so scharfe Augen haben wie junge Kapitäne! Lassen Sie mich auch darauf hinweisen, daß der Oberbefehlshaber der Sowjetunion Musko besucht hat, worauf einer Ihrer alten Generäle diesen Besuch in Murmansk erwidert hat. Andere Vorschläge, junger Mann!«
Carl zögerte, ob er es wirklich wagen sollte, aber plötzlich konnte er nicht mehr an sich halten. Die Versuchung war unwiderstehlich.
»Sir, wenn Murmansk älteren Marineoffizieren vorbehalten ist, würde ich mich gern mit einer taktisch weniger bedeutenden Anlage begnügen, die zu Ihrer Organisation von Mini-U- Boot und Diversionsverbänden gehört. Auf dem Gebiet haben wir uns in Schweden nämlich einige Fragen gestellt.«
Als Carl diesen Satz zu Ende gesprochen hatte, konnte er sich eines Lächelns nicht erwehren. Die Situation war vollkommen grotesk und vielleicht gefährlich, zugleich aber von unwiderstehlicher Komik.
Diesmal platzten alle drei russischen Offiziere gleichzeitig vor Lachen laut heraus. Darauf trank der Vizeadmiral etwas von seinem Mineralwasser, und alle anderen am Tisch imitierten automatisch seine Bewegungen. Er erweckte den Eindruck, als wollte er das Gespräch in eine andere Richtung lenken, als wäre es jetzt definitiv dabei, zu weit zu gehen.
»Wie Sie selbst schon betont haben, mein junger Herr Kapitän
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