Feind des Feindes
Zorn am ganzen Körper zitternd am Strand gestanden und Steinchen in das grau-grünblaue Wasser geworfen und versucht hatte, seine mörderischen Phantasien zu unterdrücken.
»Wie es scheint, bin ich immer noch in Tessie verliebt«, sagte er. »Es mag zwar hoffnungslos sein, aber es muß wohl so sein, und das hat dazu geführt, daß meine Beziehungen zu Frauen in den letzten Jahren recht seltsam gewesen sind. Ich treffe meist nur Frauen für eine Nacht, aber so ein Gespräch wie dieses habe ich seit Jahren nicht mehr geführt.«
Während er von Tessie berichtete, kam ihm plötzlich der Gedanke, daß dieser Volvo draußen am Nynasvägen auf ihn gewartet haben konnte. Eine Polizeibeamtin, die in ihrer Freizeit in einem Restaurant eine Dienstwaffe bei sich hatte, war nicht die Norm. Er beschloß jedoch, diese Frage auf sich beruhen zu lassen. Statt dessen fragte er sie, wann sie an den nächsten Tagen arbeite. Er nahm sich vor, sie unter irgendeinem Vorwand während der Dienstzeit anzurufen, um festzustellen, daß sie sich tatsächlich im Dienst befand.
»Und warum bist du Militär geworden?« fragte sie und halbierte den letzten Schluck in ihrem Weinglas.
»Soll ich noch etwas Wein bestellen?« fragte er mit einem Blick auf ihr fast leeres Glas.
»Nein, danke. Ich habe morgen zwar erst Spätschicht, aber trotzdem. Versuch nicht, das Thema zu wechseln. Warum bist du Militär geworden?«
Er sah wieder aufs Wasser hinaus, während er darüber nachdachte, ob er sich diese Frage auch nur selbst beantworten konnte. Eins hatte sich aus dem anderen ergeben. Der Alte hatte ihn während der Grundausbildung aufgefischt und ihm auf Kosten der Streitkräfte eine fünfjährige Ausbildung in den USA angeboten. Fünf Jahre später war ihm alles irgendwie selbstverständlich erschienen.
»Das läßt sich nicht so leicht beantworten«, sagte er und blickte immer noch aufs Wasser. »Aber zunächst war es so, daß ich mit einigen Genossen in Clarté und in der Kommunistischen Partei eine Eliteausbildung haben wollte, als wir unseren Wehrdienst ableisten sollten. Einige wurden natürlich vom Sicherheitsdienst enttarnt und schon früh ausgesondert, aber einige andere wurden Fallschirmjäger oder landeten bei der Küstenwache… nun ja, und später wollte ich in der Reserve bleiben, und so ist es auch gekommen, und dann bin ich irgendwann dabeigeblieben.«
»Bist du Kommunist gewesen?«
»Ja, das muß ich schon zugeben.«
»Und was bist du heute?«
»Offizier.«
»Ich meine politisch.«
»Das weiß ich nicht. Kein Kommunist, kein Sozi, kein Bourgeois, vor allem das nicht. Und wo stehst du selbst?«
»Sozi. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Ich wollte nicht wissen, wie du Offizier geworden bist, sondern warum.«
»Das Verhör geht weiter?«
»Ja.«
»Ich glaube, es ist etwa so gewesen. Ich bekam eine teuflisch komplizierte Ausbildung, von der ich glaubte, sie auf ehrliche Weise nutzen zu müssen. Um diese Zeit waren die Sozis aber dabei, Schweden abzurüsten, weil sie sich vorstellten, man könnte die Russen durch schöne Reden in die Knie zwingen, statt sich um eine angemessene militärische Stärke zu bemühen … na ja, der kleine schwedische Igel, du kennst dieses Bild. Ich war damals der Meinung, nur so handeln zu können, das entsprach meiner Überzeugung.«
»Es ist immer der Mühe wert, die Freiheit zu verteidigen, und dieses Zeug?«
»Ja, aber für mich ist das kein Scherz.«
»Für mich auch nicht, Verzeihung. Ich habe es auch nicht so gemeint, auch wenn es sich so angehört hat. Aber wird man als Offizier nicht lausig bezahlt?«
»O ja, wohl ähnlich wie Polizisten.«
»Dann sollten wir uns die Rechnung lieber teilen.«
»Nein, kommt gar nicht in Frage, ich habe dich eingeladen.«
»Ein Offizier der alten Schule sollte einer emanzipierten Polizistin von heute nicht sagen, wie sie sich in Grundsatzfragen zu verhalten hat.«
»Es geht mir nicht um eine Grundsatzfrage«, entgegnete er und reichte einem vorbeieilenden Kellner ein Plastikkärtchen, »es geht um eine praktische Frage, um Gleichstellung und Gerechtigkeit.«
»Ich habe dich doch schon einen Tausender an Bußgeld gekostet.«
Beide lachten laut auf.
Doch als die Rechnung kam und er das Kreditkartenformular unterschrieben und die Hand nach der Rechnung ausgestreckt hatte, um sie zu zerknüllen, war sie schneller. Sie nahm die Rechnung in eine Hand und sah sie aus dem Augenwinkel an, während sie die andere Hand nach der Handtasche
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