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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Fahndungseinsätze der Russen hatten jedoch bewirkt, daß Carl nun oben im Generalstab bei Sam Ulfsson beschäftigt wurde, während die Reorganisation von Hamilton Data System ohne ihn weiterlief. Das neue Büro war fertig und als Beraterfirma eines multinationalen Unternehmens im Stadtteil Gardet mit Geschäftsräumen im obersten Stockwerk eingerichtet worden. Carl war bisher nur ein paarmal dort gewesen, obwohl es sein eigentlicher Arbeitsplatz war.
    Sie erschien völlig aus der Puste zehn Minuten zu spät. Sie trug ein geblümtes Sommerkleid und hatte sich eine rosa Wolljacke um die Schultern gelegt. Sie trug keine Strümpfe und hatte kräftige und geschmeidige Beine. Der Schulterpartie merkte man Spuren von Krafttraining an - wäre das nicht gewesen, hatte sie als Büromädchen durchgehen können; eine rotblonde schwedische Büroangestellte mit halblangem Haar und einer Pilotenbrille, die eine leichte Kurzsichtigkeit verriet.
    Carl stand schnell auf, ging um den Tisch herum und zog ihr den Stuhl heraus. Er bemerkte, daß sie sich Mühe gab, ihre Überraschung über die höfliche Geste zu tarnen.
    »Ich hoffe, du kannst meine Verspätung als Offizier und Gentleman entschuldigen«, lächelte sie sichtlich verlegen.
    Als sie die Handtasche auf den freien Stuhl neben sich legte, bemerkte Carl ein leises Klappern. Außerdem war die Tasche viel zu schwer. Als er um den Tisch herumging, unterdrückte er einen Impuls, sie zu fragen, ob es zu ihren Gewohnheiten gehöre, mit Dienstwaffe und Handschellen im Gepäck auszugehen, wenn sie sich mit einem Mann treffe.
    »Ich kann der Polizeiassistentin Jönsson versichern, daß ich mir die größte Mühe geben werde, mehr Gentleman zu sein als beim letzten Mal«, gab er ihr lächelnd zurück.
    »Polizeiinspektor, zumindest Polizeiinspektor auf Anstellung«, korrigierte sie schnell.
    »Nicht schlecht für neunundzwanzig Jahre.«
    »Woher weißt du, daß ich neunundzwanzig bin?«
    »Immer noch von deinem, wie ich annehmen muß, echten Polizeiausweis. Du bist am sechzehnten Mai geboren, im Tierkreiszeichen des Stiers.«
    »Du hättest Bulle werden sollen, Kriminaler, bei der Spurensicherung oder so. Warum hast du mich eingeladen?«
    »Weil ich plötzlich den Einfall hatte, weil ich dich süß fand, weil ich allein lebe und nur mit Kollegen Umgang habe und ständig nur an den Job denke und darüber spreche. Weshalb bist du gekommen?«
    »Weil ich dich für einen interessanten Typ hielt, nicht so aggressiv wie andere Kerle, die sich am Steuer blamieren, weil ich allein lebe und nur mit Kollegen Umgang habe und immerzu nur an den Job denke und darüber quatsche.«
    »Was willst du essen und trinken?«
    »Keine Ahnung. Das hier ist doch so ein Luxusschuppen, da bin ich sozusagen nicht ganz zu Hause, wenn ich das so sagen darf.«
    »Fisch oder Fleisch?«
    »Fisch.«
    »Du sprichst, als kämst du aus der Arbeiterklasse und dem Süden Stockholms. Hast du Verwandte in Skåne?«
    »Ja, wieso?«
    »Weil du Jönsson heißt. War nur eine Vermutung. Ich habe auch Verwandte in Skåne.«
    »Aber nicht gerade unter den Zuckerrübenpflückern, nicht wahr?«
    »Nein, wieso?«
    »Weil du Hamilton heißt.«
    »Überlaß das Bestellen von Essen und Wein mir. Ich verspreche, daß alles gut sein wird.«
    »Diese Sorgen überläßt man am besten der Oberschicht. Willst du mir imponieren?«
    »Nein, ich möchte am liebsten jeden Eindruck vermeiden, als hätte ich das vor. Das ist mein Problem. Wenn es aber um Restaurantessen geht, ist die Oberschicht besser als die Arbeiterklasse. Nur das habe ich andeuten wollen.«
    Er klappte Speise und Weinkarte zusammen, winkte den Kellner zu sich heran und bestellte als Vorspeise eine Aal und Lachspaté mit einem kräftigen elsässischen Gewürztraminer sowie als Hauptgericht gegrillten Steinbutt, dazu einen weißen Burgunder Chateau Meursault 1984.
    Als sie später die Weine kommentierte, fand sie den Elsässer »etwas ungewohnt, aber absolut in Ordnung« und den weißen Burgunder »wirklich verdammt gut«. Soweit er sich erinnern konnte, waren dies die besten Kommentare zu Wein, die er seit mehreren Jahren gehört hatte, zumal in einem immer rücksichtsloser und egoistischer werdenden Land, in dem der Wein-Snobismus zunehmend lächerliche Formen anzunehmen begann.
    Nach einer Weile legten sie ihre Reserviertheit ab, und er begann, sie über die Polizeiarbeit auszufragen, teils aus persönlicher Neugier, teils aus beruflichem Interesse.
    Sie war abwechselnd mit

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