Feind des Feindes
sage, Irma. Vertrau mir. Ich werde dich nie belügen. Ich wäre sonst lieber einfach aus deinem Leben verschwunden.«
Sie lächelte ihn zum ersten Mal seit der gegrillten Perestroika-Wurst ohne Bier an. Es erstaunte ihn, daß er soeben mitten in Moskau eine Agentin angeworben hatte und somit fast ohne Lüge eine direkte Verbindung zum Feind hergestellt hatte. Es war ihm sogar gelungen, eine Antwort auf die entscheidende Frage zu vermeiden, die sie ihm gestellt hatte.
Die Antwort war ja, die wirkliche Antwort, daß jemand, der an einer Operation gegen einen westlichen Nachrichtendienstoffizier teilgenommen hatte, ob freiwillig oder unter Zwang, natürlich nie die Möglichkeit erhalten würde, das Land danach zu verlassen.
»Ich sehne mich schon nach Hause«, sagte sie und lächelte ihn erneut an.
»Gut. Dann nehmen wir ein Taxi, sobald wir aus dem Park heraus sind, und fahren in diese Straße, wie heißt sie noch schnell?«
»Ich glaube, es wird schwer, um diese Zeit ein Taxi zu bekommen«, sagte sie in einem Ton, als wäre es ebenso selbstverständlich wie bedeutungslos.
»Ich habe das Gefühl, daß wir sofort ein Taxi bekommen, sowie wir auf der Straße stehen«, lachte Carl.
Er beugte sich vor und küßte sie auf die Wange, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt.
Es war September und Herbstanfang. Er rechnete jetzt damit, daß Sandström tot sein würde, bevor der Herbst in den Winter überging.
Und daß man Irma vermutlich einen erheblichen Teil der Schuld daran anlasten würde.
Sie bekamen fast sofort ein Taxi.
Der September ist in Kivik ein Monat, in dem es viel zu tun gibt.
Die Äpfel reifen nacheinander, sektionsweise, je nachdem, ob es sich um frühe oder späte Sorten handelt. Der September ist einer der großen Erntemonate.
Die Einwanderungsbehörde und die verfluchte Polizei hatten dem Zustrom arbeitsfreudiger polnischer Studenten unter den freiwilligen Äpfelpflückern ein Ende gemacht.
Der Alte jedoch hatte zwei Neuzugänge, die so auftraten, als hätten sie für das Leben nie andere Pläne gehabt, als Äpfel zu pflücken. Es schien für beide völlig natürlich zu sein, hart zu arbeiten, um dabei fröhlich und ziemlich redselig zu sein, und wenn es einem gelang, von indiskreten Beobachtungen abzusehen, etwa was ihre höchst sichtbare Spannkraft und Kondition anging, sahen sie aus wie ganz gewöhnliche Studenten, die soeben von einem Amerikaaufenthalt zurückgekehrt waren. Sie traten schon jetzt als ausgekochte Lügner auf, und das so überzeugend, daß der Alte fast ein wenig gerührt war, als er sie sah.
Beide hatten überdies unterschrieben, ohne zu zögern. Seit einer Woche waren sie Leutnant Lundwall und Leutnant Stålhandske, Beamte der vor kurzem gebildeten Operationsabteilung des SSI. Sie waren auf ewig zusammengeschweißt, nicht nur miteinander, sondern auch mit Carl, der, wie zu hoffen stand, ihr Chef werden würde. Es war die Operation Big Red, die alle drei miteinander verband.
Es war durchaus nicht merkwürdig, daß ein paar Apfelpflücker bei dem Alten in der Villa wohnten. In der Erntesaison gab es in Kivik kaum noch leere Betten.
Folglich konnte er die Abende damit zubringen, sich nach ihrer Ausbildung und nach den Erwartungen zu erkundigen, mit denen sie ihrem künftigen Job entgegensahen. Sie waren in gewisser Weise seine Schöpfung, aber er würde schon bald Pensionär sein, und es würde einem anderen zufallen, sie in den Dienst einzuweisen.
Seine letzten Arbeitsjahre hatten jedenfalls auf organisatorischer Ebene zu einigen Ergebnissen geführt: Fregattenkapitän Hamilton und die Leutnants Lundwall und Stålhandske waren eine höchst beachtliche Verstärkung gerade auf dem operativen Feld, auf dem der schwedische Nachrichtendienst früher, wie sich der Alte eingestehen mußte, gewisse Schwächen gehabt hatte.
Die Jungen machten überdies einen begabten und angenehmen Eindruck. Es fiel dem Alten zwar schwer, sich vorzustellen, sie könnten die gleichen Fähigkeiten haben wie Carl. Aber es war doch einiges möglich.
Und vor kurzem waren zwei neue Angehörige der Küstenverteidigung nach San Diego abgereist, um dort ihre verlängerte Wehrpflicht von fünf Jahren abzuleisten. Es war zwar nicht ganz leicht gewesen, im Etat dafür Mittel freizumachen, aber der Oberbefehlshaber hatte schließlich nachgegeben, teils um dem scheidenden alten Direktor noch eine Geste des Wohlwollens zu zeigen, teils aufgrund einiger einfacher Hinweise auf bestimmte praktische
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