Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
können.
    Die Wurst lag in großen Kringeln auf dem Grill und sah aus wie etwas, was Lumpi auf die Straße macht, und die Schlange war für Moskauer Verhältnisse relativ kurz. Es gab jedoch kein Bier, so daß Carl Pepsi-Cola nehmen mußte. Carl biß mit mäßiger Begeisterung in die saure und stark geräucherte Wurst, während es Irma offenbar schmeckte.
    »Du hast nichts gegen Perestroika-Schweinefleisch?« witzelte er, damit sie nicht allzu schnell zu der unvermeidlichen Fortsetzung zurückkehrten; es war natürlich ein nur mäßig amüsanter Witz, aber sie schien sich nicht verletzt zu fühlen.
    »Nein, durchaus nicht, wir sind säkularisiert, und der Russe, der kein Schweinefleisch ißt, bekommt sonst wenig Fleisch zu essen. Dies ist ein Land von Schweinefleischessern, das kann dir kaum verborgen geblieben sein.«
    »Ich dachte, ihr seid auch Biertrinker. Warum gibt es hier kein Bier zum Schweinefleisch?«
    »Schon wieder Gorbatschow. Es ist seit zwei Jahren verboten, in den Parks von Moskau Alkohol zu trinken. Das ist ein Teil der Kampagne gegen den Suff.«
    »Die auch bewirkt hat, daß Hefe und Zucker aus den Läden so gut wie verschwunden sind.«
    »Genau, damit die russischen Hausfrauen wütend werden und der Perestroika den Kampf ansagen, damit auch die Männer in Zorn geraten, da es so schwierig geworden ist, an Wodka heranzukommen. Die Perestroika ist nicht ohne Probleme.«
    »Nein. Hoffentlich bewältigt ihr sie.«
    »Wollt ihr sie denn, ihr im Westen?«
    »Ja, wir halten es für unerhört wichtig, daß Gorbatschow Erfolg hat, nicht weil wir so etwas wie sentimentale Liebe zu Mütterchen Rußland empfinden, sondern weil eine funktionierende Sowjetunion weniger geneigt sein wird, einen Krieg anzufangen.«
    »Ihr seht uns wohl ausschließlich als Feinde, als könnten wir einen Krieg anfangen, als wären wir es, die tatsächlich damit anfangen würden, und nicht ihr?«
    »Ja, ungefähr so. Wir können die Sowjetunion etwas stärker zerstören als sie uns, aber einen Sieger würde es in einem solchen Krieg trotzdem nicht geben.«
    »Die Sowjetunion würde nie einen Kernwaffenkrieg beginnen.«
    »Nein, ich weiß. Ihr liebt den Frieden und habt so unter dem Großen Vaterländischen Krieg gelitten, und so etwas wird Rußland nie wieder passieren, und so weiter. Ich kenne das. Aber wie auch immer: Es ist für uns alle gut, wenn es Gorbatschow und seiner Perestroika gut ergeht. Das ist wichtig, wichtiger als Glasnost.«
    »Warum?«
    »Ein neuer Breschnjew wurde den Rüstungswettlauf wieder in Gang bringen. Wir hätten eine Neuauflage des Kalten Krieges.«
    »Aber warum soll Glasnost nicht so wichtig sein?«
    »Weil Glasnost nur äußerlich ist, der Überbau sozusagen. Die Freiheit der Meinungsäußerung ist etwas Schönes, ebenso Punkorchester in der Arbatskij-Straße oder eine liberalere sowjetische Auswanderungspolitik, aber wenn die Perestroika zum Teufel geht, verschwindet Glasnost automatisch, nicht nur hier bei euch, sondern auch draußen in der Welt.«
    »Glaubst du, ich könnte eine Ausreisegenehmigung bekommen, jetzt wo…«
    »Du zu Ende gegessen hast?«
    »Ja.«
    »Komm. Laß uns noch einen Spaziergang machen.«
    Sie stand sofort auf. Sie wollte das Gespräch also wiederbeleben. Sie gingen eine Zeitlang schweigend auf den Teich mit den großen Fontänen zu.
    Aber als er meinte, daß sie die Unterhaltung wieder aufnehmen wollte, hatte sie einen Einfall. Sie zog ihn kichernd zu ein paar Buden mit Schießständen. Er fand es tröstlich, daß sie kichern konnte.
    »Wenn du tatsächlich Soldat bist, dann zeig mir jetzt, wie ein schwedischer Soldat schießt«, sagte sie in einem Tonfall, der ihn überzeugte, daß sie es tatsächlich nachprüfen wollte.
    Die Luftgewehre wurden mit Repetierbewegungen geladen. Die Ziele waren bewegliche kleine Tiere aus schwarzem und rotem Blech sowie groteske Masken mit einer Trefferfläche in Größe einer Fünf-Kopeken-Münze, die an einem Faden am Hals hing; wenn man dort traf, schnitt die Maske eine Grimasse, stieß Laute aus, und in den Augenhöhlen gingen rote Lämpchen an.
    Carl zielte auf einen Fleck an der Wand und schoß zweimal.
    »Du hast danebengeschossen!« lachte sie.
    »Nein«, entgegnete Carl. »Jetzt weiß ich, daß ich zwei Zentimeter tiefer halten muß. Welche Maske willst du töten?«
    »Die da, die zweite von links.«
    Carl gab zehn Schüsse in rascher Folge ab. Die Maske grimassierte jedesmal, als ächzte sie unter den Treffern. Er hielt jetzt zum ersten

Weitere Kostenlose Bücher