Feind des Feindes
Herr Fregattenkapitän, und wir wollen hoffen, daß sich das irgendwann ausgleicht.«
»Wir wollen hoffen, daß unser gemeinsames Wissen ausreicht, um dieser Provokation ein Ende zu machen, um mal versuchsweise Ihre Terminologie zu gebrauchen.«
»Nicht übel. Ich stimme Ihnen zu.«
3
Es war die endgültig letzte Chance, in diesem Jahr Trichterpfifferlinge zu finden. Samuel Ulfsson hatte das Pilzsammeln herausgeschoben, seiner Frau die Zusage jedoch immer wieder neu gegeben, und überdies hatte sie überzeugende Argumente. Als Kapitän zur See hatte er ein Gehalt, das wesentlich geringer war als ihr Umversitätsdozentengehalt und vermutlich auch niedriger als das Gehalt des einfachsten Abendzeitungsreporters, aber trotzdem wurde von ihm erwartet, daß er von Zeit zu Zeit ein Essen gab und Einladungen erwiderte.
Die Pfifferlinge erfüllten also nicht nur eine kulinarische Funktion, sondern auch eine ebenso wichtige gesellschaftliche und ökonomische.
Sie hatten seit vielen Jahren die gleichen Fundstellen, und wenn man an den richtigen Ort kam, ging die Arbeit schnell und mechanisch von der Hand. Und es lohnte sich auch nicht, etwa nach einer Stunde darüber zu klagen, daß die Finger kalt wurden, denn dann würde sie nur wieder zur Sprache bringen, daß er wieder rauchte, würde von Herzinfarkt und Gefäßkrämpfen sprechen und die Illoyalität beklagen, mit der er seinen eigenen Tod vorbereite, und das lange, bevor es mit seiner Lebensgefährtin soweit sei.
Sie gingen von Fundort zu Fundort und ernteten schweigend. Es roch nach nassem Gras und Frühwinter. Sie scheuchten eine Ricke und ihre zwei Kitze auf, die mindestens zwanzig Minuten ganz in der Nähe gelegen hatten und trotzdem unwillig waren, die Wärme ihres Verstecks zu verlassen.
Samuel Ulfsson versuchte, systematisch zu denken und das Für und Wider abzuwägen.
Erstens gab es keinen »Agentenkrieg«. Die paranoideste und entsetzlichste Möglichkeit hatte er schon durchdacht: ob die beiden neuen Operateure etwa beschlossen haben konnten, so etwas wie amerikanische action zu veranstalten, als hätten sie gemeint, man müsse etwas gegen das KGB unternehmen, da der zivile Sicherheitsdienst noch nie einen KGB-Mann eingefangen hatte und so weiter.
Aber diese beiden Männer waren keine Wahnsinnigen, sondern vom Alten höchstpersönlich sorgfältig ausgewählt worden. Und überdies hatten sie, um Lennart Borgströms Ausdruck zu gebrauchen, »ein Alibi« für den Zeitpunkt des Mordes an dem sowjetischen Diplomaten und dem schwedischen Staatssekretär, ebenso wie Carl und vier andere Funktionsträger aus der Abteilung.
Man mußte davon ausgehen, daß zumindest die eine Seite an dem vermeintlichen Agentenkrieg nicht teilnahm.
Das nächste Problem waren die Morde an den Jagdfliegern in Norrköping. Das GRU würde sich kaum auf eine solche Operation einlassen, ohne sie von Moskau politisch ausdrücklich absichern zu lassen, und bei der gegenwärtigen außenpolitischen Lage mußte das als ausgeschlossen gelten. Überdies sprach das Vorgehen sehr gegen eine Beteiligung von militärischem Personal. Warum sollten sich die Leute von der anderen Seite plötzlich wie Irre gebärden?
Damit kam er zu der schwierigen Frage, ob man dem militärischen Nachrichtendienst der Sowjetunion tatsächlich trauen konnte. Es war nicht sehr schwer, sich hier einen gewissen Mangel an ehrlichen Absichten vorzustellen.
Die Angaben Tschiwartschews stimmten jedoch in einem wichtigen und nachprüfbaren Punkt. Borgström hatte tatsächlich ein Rundschreiben des Oberbefehlshabers erhalten, in dem Sandströms vermutetes Ableben in Moskau erwähnt wurde, daher hatte er diese Information »routinemäßig« in einem seiner Wochenberichte untergebracht.
Dieser Wochenbericht fiel zeitlich nachweisbar mit dem Memorandum des Außenministeriums zusammen, in dem der Abbruch der Attachékarriere Hamiltons mitgeteilt worden war.
Tschiwartschew hatte also recht gehabt. Mit einem Minimum an Intelligenz und Phantasie hatte jeder, der von Hamiltons Vergangenheit Kenntnis hatte, zwei und zwei zusammenzählen können.
Überdies hatte Tschiwartschew eine kostbare Information geliefert. Sie enthüllte nämlich, daß das GRU einen gewissen Einblick bei der Säpo hatte, den es nach menschlichem Ermessen nicht haben durfte. Tschiwartschew hatte seinen Preis bezahlt, als er diese Information weitergab: daß nämlich diese Enthüllung später bei der Säpo zu einer Jagd auf die »Maulwürfe« führen
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