Feind des Feindes
Verteidigungsminister Zeit, um über das Gehörte nachzudenken. Samuel Ulfsson vermutete, ohne so recht einen Grund dafür zu wissen, daß sich der Verteidigungsminister hin und her gerissen fühlte zwischen der Versuchung, die totale Unfähigkeit der früheren Regierung in einer Krisensituation für seine Zwecke auszunutzen, und der leicht einzusehenden Notwendigkeit andererseits, diese Umstände für immer geheimzuhalten, welche Regierung auch gerade am Ruder war.
»Kann diese Informationskampagne, oder wie wir sie nennen sollen, in Expressen zum Ziel haben, die Operation Big Red ans Licht zu bringen, um damit unser Verhältnis zur Sowjetunion in eine Krise zu führen?« fragte der Verteidigungsminister schließlich, nachdem er eventuelle parteipolitische Versuchungen in sich niedergekämpft hatte.
»Bis jetzt deutet nichts darauf hin«, erwiderte Samuel Ulfsson. » Expressen hat bisher ja nur Dinge veröffentlichen können, die in der Sicherheitsabteilung der Reichspolizeiführung bekannt gewesen sind. Sie haben jedoch nichts über Operationen oder Ereignisse bringen können, die nur dem Militär oder der früheren Regierung bekannt waren.«
»Bezweckt vielleicht eine fremde Macht, bei uns Verwirrung und Streit zu stiften?«
»Das können wir nicht ausschließen. Es fällt uns jedoch sehr schwer, in dieser Publizität etwas zu sehen, was im sowjetischen Interesse liegen könnte.«
»Und der sogenannte Agentenkrieg?«
»An den glauben wir keine Sekunde«, entgegnete der OB.
»Vielleicht Rache wegen dieser Sache in Moskau?«
»Nein, das sowjetische Interesse müßte darauf gerichtet sein, diese Geschichte unter dem Deckel zu halten. Sie wollen keine Publizität, die dazu führen kann, daß die Operation Big Red plötzlich an die Oberfläche kommt. Sie sind vielmehr am genauen Gegenteil interessiert.«
»Irgendeine andere fremde Macht, die mit Hilfe von Schweden bei der Säpo agiert?«
Die Frage blieb unbeantwortet. Sie ließ sich unmöglich beantworten, da niemand wußte, wer den Expressen -Reporter mit geheimen Informationen versorgte, und folglich ließen sich auch die Motive des Betreffenden nicht erraten.
Die Regierung konnte natürlich nicht gegen eine schwedische Zeitung vorgehen. Das Militär noch weniger.
Carl war guter, fast heiterer Laune. Nach dem Trainings und Schießprogramm am Morgen hatte er in der Wohnung aufgeräumt und geputzt und dabei Musik gehört. Er hatte einen großen Teil seiner fast parodistisch wirkenden englischen Herrenclubmöbel hinausgeworfen. In der Bibliothek stand jetzt ein einladendes italienisches Ecksofa in smaragdgrünem Leder, das einen großen, geschliffenen Steintisch aus hellrotem Granit umschloß. Die wichtigste Lichtquelle im Raum war eine Lampe mit einem breiten weißen Schirm aus einem alabasterähnlichen Material, der an einem langgestreckten Stahlbogen über dem Steintisch hing. Das weiße Licht erzeugte feine Lichtreflexe zwischen dem blanken roten Stein und der blendfreien smaragdgrünen Farbe.
Er fragte sich, ob diese Einrichtung aufrichtiger war, ob sie mehr von ihm zeigte und weniger Herrenallüren verriet - die ausrangierten Möbel hatte er seiner Immobilienfirma geschickt. Er fragte sich auch, ob man dort die Möbel mögen oder der Meinung sein würde, sie sähen zu teuer aus. Die Einrichtung war natürlich teuer, doch nicht so, daß man es ihr gleich ansehen mußte, meinte er.
Er hatte eine Flasche Aloxe Corton dekantiert und die Karaffe mit zwei Gläsern auf ein Silbertablett gestellt, das er erst in die Mitte, aber dann an die Seite des Steintischs stellte. Im Kühlschrank hatte er zwei Gänseleberbrote, die sie wahrscheinlich als Leberwurstbrote bezeichnen würde.
Er hatte den Telefonstecker den ganzen Tag ausgezogen gelassen. Er wollte sich ihr und sich selbst und nichts sonst widmen, und jedes Problem aus der Arbeit, was es auch sei, würde bis morgen warten können. Es war ein Tisch im Ulriksdals Värdshus bestellt, und er hatte das Gefühl, als wäre er dabei, sich von etwas zu befreien.
Er saß mit geschlossenen Augen zurückgelehnt in dem grünen Sessel, der zum Sofa gehörte, und lauschte Brahms’ Violinkonzert, möglicherweise in einer Lautstärke, die die Nachbarn dazu bringen konnte, beim Hauswirt anzurufen und sich zu beschweren. Aber er hatte den Stecker ja herausgezogen und hatte überdies eine geheime Telefonnummer, war also doppelt geschützt.
Ihr Läuten an der Tür ertönte bei dem langsamen Beginn des zweiten Satzes. Er
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