Feind des Feindes
losgeschickt, um bei der Befreiung der schwedischen Staatsbürger zu assistieren. Hamilton hat die Freilassung mit Gewalt bewirkt. Sorman, der die Sache anschließend als glänzenden Beweis fähiger schwedischer Diplomatie darstellte, wollte Hamilton ganz einfach aus politischen Gründen beiseite schaffen, weil er irgendwie zuviel wußte.«
»Das kann ich nicht beurteilen«, erwiderte Samuel Ulfsson wachsam, »auf politische Bewertungen lassen wir uns nicht ein. Das Risiko, daß Hamilton sich an Expressen wenden könnte, war allerdings nicht sehr hoch.«
»Auch in dieser Lage?«
»Ja, besonders in der Lage, die jetzt entstanden ist.«
»Dann wollen wir chronologisch fortfahren. Hamilton wird also mit Ihrem Auftrag, Sandström zu fotografieren, nach Moskau geschickt. Und das Außenministerium hat keine Einwände, obwohl man dort weiß, was für eine Figur dieser Hamilton ist.«
»Ja, so kann man die Lage zusammenfassen, durchaus.«
»Damit stellt sich die entscheidende Frage. Hat Hamilton noch weitere Befehle von einem anderen militärischen Vorgesetzten als Sam erhalten? Was sagt der OB dazu?«
»Die Anweisungen, die er durch mich erhielt, waren die, über die Samuel Ulfsson hier schon berichtet hat. Aber der Chef des SSI hat mich heute nachmittag angerufen und mündlich sein Abschiedsgesuch eingereicht. Ja, nachdem die neue Ausgabe von Expressen erschienen ist.«
Es wurde vollkommen still im Raum. Samuel Ulfsson zwang sich, nicht den Mund zu verziehen. Der Alte war nicht nur Pensionär geworden, jetzt hatte er auch noch sein Abschiedsgesuch eingereicht. Das war nett von ihm. Die Frage war nur, ob dieses Opfer reichen würde, ob nicht noch mehr Köpfe rollen mußten.
»Ich glaube zu verstehen«, sagte der Verteidigungsminister schließlich. »Wenn wir die Abendzeitung von heute aber weiter durchforsten, kommen wir zu dieser Flugzeugentführungsgeschichte. Sorman hat ja schon früher bestätigt, daß schwedisches Militärpersonal daran beteiligt war. Ist es richtig, daß es auch damals Hamilton war, OB?«
»Ja.«
»Und welchen Auftrag genau hatte er damals?«
Der OB wand sich. »Es ging dabei um eins der sensibelsten und zumindest bis jetzt am besten bewahrten Geheimnisse«, erwiderte der OB in einem Ton, als konnte es ihm gelingen davonzukommen.
»Nämlich was?« fragte der Verteidigungsminister und starrte den OB fest an, ohne die Augenlider zu bewegen.
»Hamilton hatte den Auftrag, einen sowjetischen Überläufer im Admiralsrang nach Schweden zu bringen, einen gewissen Koskow, der unter anderem Chef der gesamten Diversionstätigkeit im Ostseeraum war. Mit der versuchten Flugzeugentführung wollte die Sowjetunion verhindern, daß der Überläufer sicher in Schweden ankam. Die Sowjets bedienten sich dabei verbündeter Organisationen.«
»Aber Hamilton hat diesen Mann nach Schweden gebracht?«
»Ja.«
»Und wozu hat das geführt?«
»Erstens dazu, daß ein sowjetischer Überläufer eine umfassende Menge militärischen Wissens in den Westen brachte. Es war einer der größten Informationstransfers, die wir kennen.«
»Sind diese Informationen irgendwo gesammelt?«
»Ja, in der sogenannten Koskow-Akte, von der es nur ein einziges Exemplar gibt.«
»Dann bitte ich darum, daß mir diese Akte so schnell wie möglich vorgelegt wird. Das wäre also das erste. Und wozu hat nun diese Aktion zweitens geführt?«
»Nur vier Personen bei den Streitkräften und vier Personen der früheren Regierung besitzen eine volle Kenntnis davon.«
»Sind Sie unter den vier Vertretern der Streitkräfte?«
»Ja.«
»Dann bitte ich Sie, mir die Angelegenheit zur Gänze vorzutragen.«
»Das wird möglicherweise etwas Zeit erfordern.«
»Bitte sehr, OB.«
Samuel Ulfsson lehnte sich im Stuhl zurück und faltete die Hände über der Gürtelschnalle. Das sollte wohl so etwas wie eine friedliche Gemütslage signalisieren.
Zunächst hatte er das Gefühl, daß hier etwas Ungehöriges geschah. Der relativ junge Mann mit der Brille war bis vor ganz kurzer Zeit ein völlig unbedeutender Politiker gewesen, der unter gar keinen Umständen auch nur eine Andeutung von Ereignissen erfahren hatte, die sich mit dem Begriff Operation Big Red zusammenfassen ließen. Jetzt war er Verteidigungsminister - so waren nun einmal die Spielregeln, die Regeln der Demokratie.
Der Oberbefehlshaber legte den Verlauf der Ereignisse recht kurz und knapp dar, aber es dauerte dennoch eine halbe Stunde. Als er verstummte, ließ sich der
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