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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Hardliner des Ausschusses die Befragung fort. Sie stellten hauptsächlich Fragen, die schon beantwortet waren, und Carl bemühte sich, seine Antworten so geduldig und höflich wie möglich zu wiederholen.
    Auf dem letzten Platz der Rednerliste stand eine Sozialdemokratin mittleren Alters, die soeben entdeckt hatte, daß die Fragen, die sie hatte stellen wollen, schon von ihren Vorgängern gestellt worden waren. Da fiel ihr spontan eine völlig unpolitische Frage ein, die vermutlich aus den Tiefen ihres Wesens kam.
    »Diese Verhöre sind ja zum Teil sehr dramatisch gewesen, aber ich frage mich trotzdem immer wieder, Fregattenkapitän Hamilton, wie ein Mensch wie Sie anscheinend unberührt dasitzen und die schrecklichsten Dinge erzählen kann. Belastet Sie das alles überhaupt nicht?«
    Carl sah sofort Eva-Britt vor sich, wie sie zu Hause in Drakens grand auf dem Sofa saß. Intuitiv blickte er zur Kamera hinter dem Rücken des Ausschußvorsitzenden. So sah er annähernd drei Millionen Fernsehzuschauern in die Augen, als er die Vorstellung für sich entschied, ohne es zu wissen.
    »Es ist sehr schwierig, Ihre Frage kurz und knapp zu beantworten. Es ist möglich, daß ich mich zu sehr bemüht habe, hier eine korrekte Fassade aufrechtzuerhalten, aber das liegt nicht nur daran, daß ich mich hier auf Befehl meiner Vorgesetzten und als Vertreter der Streitkräfte befinde. Es liegt auch daran, daß alles, wonach Sie gefragt haben und was ich befehlsgemäß beantworten muß, zu meinem Innersten gehört und es berührt. Aber ich werde versuchen, Ihre Frage zu beantworten. Doch, es ist unerhört schwierig. Es ist eine quälende, eine sehr quälende Frage, die man sich jeden Tag stellen muß, wenn man in der operativen Sektion des schwedischen Nachrichtendiensts arbeitet. Vor allem fürchtet man sich davor, den Menschen zu verlieren, den man liebt. Es ist in erster Linie keine Angst vor dem Tod, sondern vor den Konsequenzen des Todes. Wenn man außerdem anderen Menschen so weh tut, wie ich es getan habe, muß man sich in jeder einsamen Stunde die Frage stellen, ob es sich gelohnt hat, ob man richtig gehandelt hat. Ich habe mir diese Frage seit vielen Jahren jeden Tag aufs neue gestellt und darüber auch lange Gespräche mit einem meiner Vorgesetzten geführt, der mir persönlich sehr nahesteht. Und meine Antwort sieht ungefähr so aus: Ich bin aufgrund meiner persönlichen Überzeugung Offizier geworden, der Überzeugung, daß ich mein Wissen und meine Fähigkeiten dazu einsetzen will, Schwedens Unabhängigkeit zu verteidigen. Diese Überzeugung habe ich seit meiner Zeit bei der Clarté gehabt. Ich habe bei meiner Arbeit nicht die Absicht, vor etwas zu flüchten, ich will nichts anderes tun als einen Job, der so schwierig ist, daß nur wenige ihn bewältigen können. Diese Arbeit muß getan werden. Sie ist ein Teil unserer Verteidigung, so wie ich es bin. Wenn ich meinem Gewissen folge, was ich in dieser ganzen Zeit versucht habe, brauche ich mich nur vor einem zu fürchten - daß ich meine Freiheit verliere oder den Menschen, den ich liebe. Vor etwas anderem habe ich keine Angst.«
    Daraufhin geschah etwas, was es in der Geschichte des Verfassungsausschusses noch nie gegeben hatte. Oben auf den Zuschauertribünen brachen heftige Beifallsstürme los, sogar bei den Journalisten. Es hatte den Anschein, als hätte sich ein quälend lange angestauter Gefühlssturm endlich Bahn brechen können.
    Im Saal herrschten noch immer Chaos und Durcheinander, als der Vorsitzende lächelnd dem Herrn Fregattenkapitän dafür dankte, daß er die Freundlichkeit besessen habe, zu erscheinen und die Fragen des Ausschusses zu beantworten Eine Horde von Pressefotografen stürzte herbei, um Fotos zu schießen, als Carl aufstand, um den Saal zu verlassen.
    Carl sah sich verwirrt nach seinen Sicherheitsbeamten um, die am anderen Ende des Raumes standen. Da tauchte zwischen den Fotografen ein rundlicher Mann mit Brille auf, der die Hand ausstreckte und sagte, er heiße Wennström und sei von Expressen . Auch er tue nur seine Arbeit und wolle gern ein Interview.
    Carl erstarrte und betrachtete zunächst voller Abscheu die ausgestreckte Hand, bevor er den Blick hob und den Expressen -Journalisten mit einem Gesichtsausdruck ansah, der diesem mit Sicherheit Alpträume verursachen würde. All die Verbindlichkeit, die Carl während der Verhöre an den Tag gelegt hatte, war innerhalb weniger Sekunden wie weggeblasen.
    »Ich unterhalte mich nicht mit

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