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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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hatte fast mit Streit geendet.
    Stålhandske hatte solche Probleme vermutlich nicht.
    Joar Lundwall hatte seine Ansichten über Stålhandske in mancherlei Hinsicht und mit einigem Widerstreben geändert. Als Mann war er von der schlimmsten Sorte, und das galt immer noch: der Stärkste der Welt, der Größte und Härteste, ein Prahlhans, der nichts dagegen einzuwenden hatte, in irgendeiner Kneipe von ein paar ahnungslosen Schlägern überfallen zu werden, nur um das Vergnügen zu haben, seine militärischen Kenntnisse in der Praxis anzuwenden.
    Aber Stålhandske hatte sich einen großen Rück gegeben. Joar Lundwall hatte schon lange vor der Operation Big Red begriffen, daß sein Kamerad das zivile Studium in San Diego niemals schaffen würde.
    Nach Big Red jedoch war der große Ruck gekommen. Abhörtechnik war im Grunde keineswegs leichter zu begreifen als Informatik, aber er hatte es doch geschafft. Soweit Joar Lundwall es beurteilen konnte, und er mußte einiges davon verstehen, war Stålhandske sogar sehr gut geworden.
    Hamilton war die ganze Bandbreite von Stålhandskes Expertenwissen offenkundig noch nicht klar, aber in der letzten Zeit hatte es ja so viele Störungsmomente gegeben. Ironischerweise war ihnen jetzt strikt verboten worden, Stålhandskes Technik einzusetzen. Hamilton hatte das mit einer Wortwahl und in einem Tonfall angeordnet, die für Fehlinterpretationen keinen Raum ließ. Und Hamilton war wohl der einzige Mann, der in Stålhandskes Weltbild irgendwie stärker war als er selbst; nicht in körperlicher Hinsicht, natürlich, denn das war niemand. Bei bestimmten Übungen fiel es Hamilton fast genauso schwer wie Joar Lundwall, Stålhandske zu widerstehen. Aber unter realistischen Bedingungen, wenn es keine Übung war? Dann würde sogar ein Stålhandske vielleicht den Glauben an sich selbst verlieren können.
    Åke Stålhandske genoß die Situation. Er genoß die Schwierigkeiten, genoß seine Selbstbeherrschung und den Mangel an Ungeduld. Es war schon der zweite Tag. Es wurde langsam dunkel, und bald würden Teile der Ausrüstung unbrauchbar sein. Wahrscheinlich würde niemand kommen.
    Dennoch war es richtige Arbeit. Er hatte alles unter Kontrolle, angefangen bei der Körpertemperatur von den Füßen an, die von den dicken, runden amerikanischen Polarstiefeln geschützt wurden, in denen man selbst beim Stillsitzen bei zehn Grad unter Null Fußschweiß bekommen konnte, bis hin zum Saum der Kapuze aus Vielfraßfell und der beruhigend warmen Schwere des Magnum-Revolvers nahe am Körper.
    Auf der Lichtung zum Haus hin gab es offenbar etwas Eßbares, denn vor ein paar Minuten waren zwei Rehe aus dem Wald herausgetreten. Jetzt standen sie in weniger als zehn Metern Entfernung und ästen, so daß er theoretisch beide mit dem Revolver hätte erlegen können. Wenn sie ihn nicht bemerkt hatten, bedeutete dies, daß er sich mehr als ausreichend versteckt hatte, nun ja, mochte die Windrichtung ihn auch begünstigen.
    Åke Stålhandske liebte die Situation, in der er sich befand. Von Zeit zu Zeit rissen die Rehe unruhig den Kopf hoch, lauschten und spähten. Er konnte sehen, wie sie die Ohren bewegten. Aber dann begannen sie wieder nervös zu äsen, bis wieder etwas ihre Aufmerksamkeit erregte.
    Åke Stålhandske versuchte, über Joar nachzudenken. Zunächst hatte er ihn für einen kleinen Scheißkerl gehalten. Schwul war er auch noch, und der Umgang mit Schwulen war ihm schon immer schwergefallen. Wer jedoch die Operation Big Red mitgemacht hatte, war kein Scheißkerl, und Joar war dabei gut gewesen, sehr gut sogar. Um diese Erkenntnis kam Åke Stålhandske nicht herum, und überdies gab es keinerlei Grund, das, was grundlegend war, von sich fernhalten zu wollen. Denn grundlegend war es. Joar war, ob schwul oder nicht, aus dem richtigen Holz geschnitzt. He wouldn’t crack, der brach nicht so schnell zusammen.
    Es kam immer noch gelegentlich vor, daß Åke Stålhandske auf englisch dachte.
    Es war unvermeidlich gewesen, Vater die Wahrheit zu sagen, aber der war die einzige Person, der gegenüber er überhaupt etwas angedeutet hatte. Schließlich war Vater ein alter Offizier, der in zwei Kriegen gegen die Russen gekämpft hatte. Er war erstens nicht dumm und konnte zweitens mit militärischen Geheimnissen umgehen.
    Vater war es nicht schwergefallen, zwei und zwei zusammenzuzählen. Die Streitkräfte hatten ein Universitätsstudium in den USA bezahlt, das später mit einem Offiziersrang belohnt wurde, ohne daß

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