Feind des Feindes
Jihaz ar-Rased bestätigen das Ereignis und haben es mir ziemlich detailliert beschrieben.«
»Am Telefon?«
»Ja. Es geht immerhin um Dinge, die sie um jeden Preis bekanntgemacht wissen wollen.«
»Teufel auch. Das nenne ich schnell marschiert. Und ich habe gedacht, ich könnte dir noch einen Tip geben.«
»Wenn du das Schießen besorgst, übernehme ich den Journalismus. Umgekehrt wäre es für keinen von uns sehr gut.«
»Du kannst doch schießen?«
»Ja, auf Rehe und Hasen. Manchmal nicht einmal das. Ich gehe trotzdem davon aus, daß ich ein nur wenig besserer Schütze bin, als du Journalist bist. Ich werde irgendwann heute nacht Verbindung mit Arafat haben, wenn er in seinem Quartier in Tunis eintrifft. Er wird deine Version bestätigen. Ich will aber, daß auch du mich überzeugst.«
»Genügt nicht Arafat?«
»Nein. Die haben möglicherweise nur ein Interesse daran, sich an deine Version anzuhängen, um etwas von deinem Glorienschein abzubekommen. Also, einer der Entführer unterschied sich in einer bestimmten Hinsicht von den anderen. Wie?«
»Er hieß Karim und war ein munterer und intelligenter Junge von etwa siebzehn Jahren.«
»In Wahrheit war er erst sechzehn. Welche Waffen habt ihr verwendet?«
»Eine Maschinenpistole der Marke Henry Ingram mit Schalldämpfer und zwei Messer, von denen allerdings nur eins benutzt wurde.«
»Wie hast du den einen Wachposten getötet?«
»Es gab nur einen.«
»Richtig. Aber wie hast du es getan?«
»Ich habe ihn umgebracht.«
»Ja. Aber wie?«
»Militärische Standardmethode.«
»Das liegt unleugbar in der Natur der Sache. Es ist aber noch immer keine Antwort auf meine Frage.«
»Ist das eine seriöse journalistische Frage?«
»Ja.«
»Inwiefern? Für mich hört sich das mehr nach Expressen als nach Echo des Tages an.«
»Ja, aber ich will es nicht wissen, um es meinen Zuhörern zu erzählen. Ich will nur wissen, ob sich deine Version genauso anhört wie die meiner PLO-Quellen. Wenn nicht, lügt einer. Wenn ich die exakt gleiche Version zu hören bekomme, stimmt es vermutlich.«
»Möchtest du ein Glas Wein?«
»Ja, gern, aber nicht als Ersatz für die Antwort auf meine Frage.«
Carl lächelte schief, als er aufstand, in die Küche ging und eine Weinflasche aus dem Kühlschrank holte. In einem der Küchenschränke lag eine einsame Sechserpackung mit billigen Weingläsern, die er auf dem Heimweg gekauft hatte, weil es ihm gerade noch rechtzeitig eingefallen war. Er entkorkte die Flasche und fummelte eine Weile mit der zähen Kunststoffverpackung der Gläser herum, bis er aufgab und in seinem provisorischen Schlafzimmer das Messer hervorholte, das unter der Matratze lag.
Als er wieder in der Küche war und die Plastikfolie aufschnitt, sah er, daß es der gleiche Messertyp war, den er damals verwendet hatte. Er legte das Messer sehr langsam hin und betrachtete es, wie es auf dem rostfreien Untergrund lag und seitlich von der Lampe über der Arbeitsfläche beleuchtet wurde. Schwarze, blendfreie Klinge. Tarnfarbener Handgriff aus Aluminium, mit der Klinge zusammengeschmiedet.
Er fühlte sich genötigt, sich ein paar Sekunden zu sammeln, bis er mit der Weinflasche in einer Hand und zwei Gläsern in der anderen zu Ponti zurückging. Er sagte nichts, während er eingoß, hob dann das Glas und nickte kurz.
»Ich habe nicht vor, etwas über den Wein zu sagen, bis du die Frage beantwortet hast«, sagte Ponti.
»Ich habe das Rückgrat und die Schlagader unterhalb des Halswirbels durchschnitten, falls das für dich von so großem Interesse ist«, erwiderte Carl mit scheinbar desinteressiertem Tonfall und abgewandtem Gesicht.
Ponti probierte erneut den Wein, ließ ihn im Mund herumrollen und hielt das Glas unter die Lampe, um der Farbe ganz sicher zu sein.
»Ein bulgarischer Landwein ist das nicht gerade«, sagte er nach einiger Zeit. »Bei den Gehältern von Sveriges Radio ist so was nicht drin. Aber dafür haben wir es seit den sechziger Jahren mit kommunistischen Gewerkschaftsvertretern zu tun. Also, ein weißer Burgunder, aber über die Lage wage ich nichts zu sagen.«
»Meursault. Interessierst du dich für Wein?«
»Ja, soweit das Geld reicht.«
»Dann haben wir zumindest etwas gemeinsam.«
»Zwei Dinge, wenn wir unseren politischen Hintergrund dazurechnen. Aber deine Version stimmt tatsächlich mit der der PLO überein. Jetzt kann ich die Geschichte mit deinem Kommentar und dem von Arafat bringen. Damit ist dieser Sorman entlarvt. Angenehme
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