Feind des Feindes
beispielsweise der französischen Ermittlungen zeigten, daß Koskow und er selbst das Ziel der Aktion gewesen seien.
Das sah Borgström jedoch nur als Beweis dafür an, zu welch einzigartig geschickten Verwirrungsaktionen der sowjetische Nachrichtendienst fähig sei. Überdies seien »die sogenannten Flugzeugentführer« ja nur mit Platzpatronen ausgerüstet gewesen.
Carl wandte ein, diese »Platzpatronen« seien scharf genug gewesen, einen amerikanischen Fluggast zu töten, den die Entführer vermutlich mit ihm verwechselt hatten. Borgström erklärte das damit, daß diese Patrone gerade für diesen Teil des Unternehmens gesondert mitgeführt worden sei, oder möglicherweise habe Carl selbst den Mord begangen.
Carl wandte ohne die Stimme zu heben ein, es gebe zahlreiche Zeugen dafür, daß er, Carl, den amerikanischen Fluggast nicht getötet habe.
Doch Borgström fuhr mit der Behauptung fort, das, was dieser Koskow zu sagen gehabt habe, habe zu keinerlei konkreten oder operativen Ergebnissen geführt.
Carl schüttelte den Kopf und lächelte in sich hinein. Er durfte Borgström nicht erzählen, welche recht konkreten operativen Ergebnisse sich hinter dem Decknamen Operation Big Red verbargen.
Er wandte aber ein, immerhin hätten die Russen Koskow aufgespürt und ermordet, und er selbst, Carl, müsse nachweislich in glücklicher Unkenntnis über Koskows Aufenthaltsort geschwebt haben, und wenn man ihn gerade dann ermordet habe, als er zu plaudern begonnen habe, sei Koskow ein merkwürdiger falscher Überläufer gewesen.
Doch dann fing Borgström wieder von vorn an, sprach von Carls linker Vergangenheit, als wollte er ihn mürbe und erschöpft machen.
So schleppten sich die Verhöre dahin, Stunde um Stunde, immer wieder von vorn. Tag um Tag. Carl verließ das rote Gebäude erst am Abend des Mittsommertages. Er hatte die Genehmigung erhalten, nach Hause zu gehen, und man hatte ihm seine Schlüssel zurückgegeben.
Er fand seine Wohnung demoliert vor, als hätte ein Filmteam der vierziger Jahre dort eine Saloon-Schlägerei inszeniert. Die Fußbodendielen waren an mehreren Stellen aufgebrochen, der offene Kamin in der Bibliothek bestand nur noch aus einem Haufen Ziegelsteine und Mörtel, Marmorplatten lagen herum, die Küche war vollständig zerstört, sämtliche Bücher entfernt und Bücherregale zerbrochen.
Der Stereoanlage fehlten etliche technische Komponenten, und sie funktionierte nicht mehr. Ein Teil der Schußwaffen war ebenfalls verschwunden.
Das Badezimmer war ebenfalls demoliert. Carl nahm seine Toilettenartikel, ging in die Küche und wusch sich über der Spüle. Das Wasser lief noch.
Falls die kommende Wahl so verlief, wie sie sollte, was im Augenblick nur schwer vorhersehbar war, würde Peter Sorman der vermutlich einzige Außenminister der Welt werden, der in Karate Träger des Schwarzen Gürtels war.
Das war ein Hobby oder vielmehr eine Leidenschaft, welche die wenigen Genossen, die davon wußten, nie hatten verstehen können. Und die Genossen, denen unbekannt war, daß der Staatssekretär mehrere Stunden pro Woche mit seltsamen Gewaltübungen verbrachte und dabei eine Art weißen Schlafanzug trug, hatten solchen Angaben nie Glauben geschenkt oder sie allenfalls als eine der üblichen bürgerlichen Verleumdungen der Bewegung angesehen, wenn sie davon erfahren hatten.
Man hielt ihn für eiskalt, für einen Mann mit fast vollständiger Kontrolle über Gefühle und Intelligenz. Peter Sorman betrachtete jedoch diese seine Eigenschaften in einem klaren Zusammenhang mit den Prinzipien Konzentration und Kontemplation, die einen bedeutenden Teil der asiatischen Kampfkunst ausmachten.
Er arbeitete hart, härter als die meisten. Er galt als cleverer als alle anderen, auch das eine Auffassung, die er im großen und ganzen teilte.
Deshalb schien es nicht ungewöhnlich zu sein, daß er an diesem Tag unter den höheren Chargen im Außenministerium als letzter noch anwesend war. Der Außenminister, der nach der Wahl in Pension gehen und den Job folglich Sorman übergeben sollte, hatte das Glück gehabt, schon vor einigen Tagen in Urlaub gegangen zu sein.
Was Sorman betraf, war es zweifelhaft, ob er über Mittsommer wurde dienstfrei nehmen können. Seine Kinder und die beiden letzten Ehefrauen warteten schon draußen auf der Schäreninsel und hatten ihn drei oder viermal angerufen, bis er seinen Direktanschluß abschaltete.
Vor ihm auf dem Rokoko-Schreibtisch lagen drei Dokumentenstapel, die nichts
Weitere Kostenlose Bücher