Feind des Feindes
ihre Untergebenen. Er hatte sie nicht einmal gefragt, ob er in ihrem Verband bleiben konnte. Dort unten am Strand erschien es wie selbstverständlich, daß er von anderem Schlag war, so etwas wie ein netter schwedischer Urlauber. Aber hier, unter den echten schwedischen Urlaubern, verhielt es sich wieder genau umgekehrt.
Er ging bei grünem Licht durch den Zoll, ohne daß irgendein Zöllner ihn auch nur eines Blicks zu würdigen schien; diesmal wenigstens hatte er keinen einzigen Gegenstand bei sich, der für sie von Interesse sein konnte.
Anschließend nahm er ein Taxi und fuhr direkt zum Außenministerium. Er betrachtete die vorübergleitende schwedische Sommerlandschaft mit grasenden Kühen, roten Scheunen und steinernen Kirchen, ohne an etwas zu denken.
Er gab seine Reisetasche unten beim Portier ab, ging ohne Begleitung zu Sorman hinauf und drückte auf den Warteknopf, über dem sofort das rote Lampchen aufleuchtete.
Er ging ein paarmal in dem sommerlich stillen Korridor der Brücke auf und ab und setzte sich dann ungeduldig auf einen der knackenden Rokokostühle neben einem zierlichen Marmortisch. Eine Sekretärin erschien und brachte ihm einen weißen Kunststoffbecher mit Kaffee und drei Pfefferkuchen auf einer kleinen blauen Serviette, die notdürftig den Kunststoffteller verdeckte. Er gab der Sekretärin zwölf Tausend-Dollar-Scheine, zunächst ohne etwas zu sagen, als wäre es ein Scherz. Dann erklärte er, es seien Reisespesen, die er nicht benötigt habe. Dafür brauche er irgendeine Quittung. Sie starrte das Geld an, als wäre es etwas Unfeines, das in den Räumen des Außenministeriums nichts zu suchen habe. Carl lächelte belustigt. Immerhin waren die Scheine sauber und ungefaltet, und von Blutflecken und ähnlichem Unflat war nichts zu sehen.
Als die Sekretärin ging, hielt sie die Scheine zwischen Daumen und Zeigefinger vor sich.
Dann ertönte an der Tür das Freizeichen, und das grüne Lämpchen leuchtete auf. Carl stand auf und ging durch die hohe weiße Doppeltür, die direkt in Peter Sormans Arbeitszimmer führte.
»Willkommen zu Hause. Bitte setz dich. Ich hoffe, die Reise war angenehm«, sagte Sorman kühl und förmlich mit einer Geste zu dem samtblauen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Die beiden Männer gaben sich nicht einmal die Hand, bevor Carl sich setzte.
»Die Geiseln sind wieder zu Hause, und damit ist alles in Ordnung, hoffe ich?« sagte Carl, um mit etwas anzufangen. Jetzt sollte also der politische Preis gezahlt werden, und zu seinem Erstaunen entdeckte Carl, daß ihm die Situation ganz und gar nicht mißfiel, vielleicht weil er instinktiv Abneigung gegen Sorman empfand.
»Ja, Ende gut, alles gut«, bestätigte Sorman mit einem Lächeln, das keins war. »Wie es scheint, ist ja alles bis zum Schluß sehr glatt gegangen.«
Carl platzte mit einem kurzen, unbeherrschten und anscheinend unmotivierten Lachen heraus. Sorman sagte nichts, sondern wartete nur auf Carls Erklärung.
Dieser wartete eine Weile, bevor er loslegte.
»Die Geiseln wurden durch einen gemeinsamen Einsatz befreit. Ich habe mich mit einem Offizier vom Nachrichtendienst der PLO ins Haus begeben und die Befreiung durchgeführt. Die PLO hat mich ausdrücklich gebeten, es dir zu erzählen, damit ihr von jetzt an wißt, wie es sich abgespielt hat. In der gegebenen Lage sahen wir keine andere Möglichkeit. Die Frist lief schon, die Bedingungen waren unannehmbar, und außerdem hatten wir sie unter Beobachtung. Sie schienen nervös zu sein. Aus diesem Grund haben wir die Geiseln mit Gewalt befreit. Das sollte ich dir erzählen, was hiermit geschehen ist.«
Carl lehnte sich im Stuhl zurück. Ihm gefiel die Situation plötzlich. Es gefiel ihm zu sehen, wie der so äußerst beherrschte Sorman seine Beherrschung verlor und wie es jetzt in seinem Kopf auf Hochtouren arbeitete, während er überlegte, was er eigentlich gehört hatte und was er fragen sollte. Seine Kraftanstrengung war ihm deutlich anzumerken. Carl betrachtete ihn amüsiert, ohne es zu verhehlen, während die Fragen sich im Kopf seines Gegenübers zu formieren begannen.
»Du willst also sagen, ihr habt die Geiseln mit Gewalt befreit?« fragte Sorman schließlich.
»Ja, richtig. Es waren nur sechs Entführer, also keine große Organisation.«
»Was ist mit den Entführern geschehen?«
»Wir haben sie erschossen.«
»Alle sechs?«
»Richtig.«
»Hast du daran teilgenommen?«
»Ja. Ich ging als erster ins Haus. Ich haben einen Wachposten außer Gefecht
Weitere Kostenlose Bücher