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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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und der Arafatschen Zahl 17 vorzustellen, die wie eine römische IV aussah. Aber ihr Leben bestand wie seins aus Verstellung, und darauf verstand sie sich sehr gut.
    Sie hatte sehr wohl begriffen, welche Frage er stellen wollte. Sie zögerte lange mit der Antwort, jedoch nicht, um nachzudenken, sondern vielleicht, weil sie nur so tun wollte, als dächte sie nach, gleichsam aus Pietät, um nicht zu zeigen, wie leicht es ihr fiel, die Frage zu beantworten.
    Wenn ein paar Verrückte, begann Mouna behutsam, gerade diesen Zeitpunkt wählten, um ausgerechnet Schweden zu entführen, würde damit der Intifada, dem Aufruhr, durch eine Geschichte, bei der schwedische Ärzte eventuell von PLO- Angehörigen ermordet wurden, unermeßlicher Schaden zugefügt. Dieser Versuch sei Verrat, und das Urteil sei von der höchsten Führung der PLO in Tunis gesprochen worden. So sah es rein juristisch aus und war sehr einfach. Was diesen Karim anging, konnte man natürlich der Meinung sein, es sei traurig, einen so jungen Menschen zu erschießen. Aber davon würde nie jemand berichten. Es würde nie bekannt werden, daß es eine Verbindung zwischen der PLO und der Entführung schwedischer Ärzte gegeben hatte. Nicht die PLO, sondern die Entführer waren Verräter. Die Palästinenser, die von den Israelis erschossen, erschlagen, vergast, lebendig begraben oder verbrannt wurden, waren unschuldig. Die Saboteure der Intifada waren schuldig.
    Und außerdem wäre es ohnehin zu dem gleichen Ende gekommen, vielleicht etwas später und vielleicht weniger elegant.
    Carl antwortete nicht. Statt dessen quälte er sich eine Weile mit seinen Erinnerungen.
    Er erinnerte sich fast in Zeitlupe und in Farbe. Während der tatsächliche Ablauf sich in schnellerem Tempo als normal und in Schwarzweiß abgespielt hatte. Gerade in den Augenblicken, in denen er getötet hatte, war der gesamte Ablauf frei von irrelevanten Beobachtungen und Gefühlen.
    Diese meldeten sich danach um so stärker. Er wußte sehr wohl, daß die aufgerissenen Augen des toten Karim etwas waren, woran er sich für immer erinnern würde, als hätte es sich mit Säure in die Kupferbleche der Erinnerung eingeätzt. Dort wäre es ständig abrufbar, in Farbe, Zeitlupe und von kristallklarer Deutlichkeit.
    Mouna hatte inzwischen einen geschäftsmäßigen Ton angeschlagen, um Carl gleichsam vor Trauer und Passivität zu retten, und es war fast so, als kannte sie jeden Winkel seiner Seele.
    Zunächst die praktischen kleinen Details. Das zweite Sendegerät konnte er in einem palästinensischen Souvenirladen im Hammediyah-Basar abgeben, o ja, den kannte er sehr gut, dort war er schon mehrmals gewesen.
    Und dann noch der politische Preis.
    Er hatte nichts gegen diesen politischen Preis und erhob keine Einwände; sie hatten schon im Radio gehört, daß die Geiseln sich in Europa befanden und nur noch den Flug nach Stockholm vor sich hatten. Natürlich würde er den politischen Preis zahlen, um einigermaßen quitt zu sein. Selbstverständlich unterstützte er die palästinensische Bewegung, denn das hatte er schon immer getan, zumindest so lange, wie er Mouna kannte.
    Als er dann persönlich zu werden versuchte, entwand sie sich. Sie beantwortete seine Frage, weshalb sie nicht verheiratet sei, mit der Bemerkung, sie sei wie Arafat mit der Revolution verheiratet. Sie habe eine Funktion zu erfüllen, und die bringe es mit sich, daß sie jeden Tag Gefahr laufe, getötet zu werden. Unter solchen Umständen könne keine Frau Mutter und Ehefrau sein, und im übrigen falle es ihr recht schwer, sich als gehorsame palästinensische Ehefrau vorzustellen.
    Mit dieser letzten Bemerkung hatte sie ihn zum Lachen gebracht. Sie erhob sich und erklärte, es sei Zeit, mit den Vorbereitungen für den Transport nach Damaskus zu beginnen.
    Er zuckte zusammen, als die Maschine schwer auf der Landebahn aufsetzte, und sah, wie die aluminiumglänzenden Gebäude der Terminals vorbeisausten.
    Während er auf seine Reisetasche wartete, die jetzt nur noch etwas schmutzige Wäsche enthielt sowie ein paar Kleidungsstücke, die kein reisender schwedischer Diplomat zu tragen pflegt, überkamen ihn träumerische Gefühle. Er lächelte schief bei dem Gedanken, so etwas wie ein schwedischer Diplomat zu sein, aber rein juristisch und formal verhielt es sich so. Es war Sommer und ziemlich eng in der Ankunftshalle. Schwedische Urlauber, gesetzestreue, anständige Steuerzahler, Angehörige seines Volkes, aber trotzdem fremder als Mouna und

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