Feindberührung - Kriminalroman
einen großen Schritt zurück; sie hielt beide Arme locker bereit zur Abwehr.
Der Kerl drehte sich langsam um, und jetzt konnte sich Therese ein Bild machen. Es war kein schönes.
Der Mann war kaum größer als sie und hatte eine ziemliche Wampe, aber außerdem einen Stiernacken und ein Kreuz wie ein Schrank. Sein Gesicht war eine bleiche Pockenlandschaft mit breiten Koteletten bis zum Unterkiefer und einem Walrossbart. Die Augen lagen tief in den Höhlen, schwarze Löcher. Die Haare hingen in ungepflegten Strähnen aus einer tief heruntergezogenen Wollmütze mit der Aufschrift » Serienkiller«. Auf seinem Kehlkopf hatte er ein großes Spinnennetz tätowiert und unter dem rechten Auge drei Tränen. Über einer gefütterten Bomberjacke trug er eine Lederweste mit Aufnähern. Einer stach heraus. Ein weißer Totenschädel mit Ohrring und schwarzem Piratentuch über gekreuzten Knochen, darunter ein Eisernes Kreuz, das Ganze umrahmt von Frakturbuchstaben: » Skulls MC. Fight or Die«.
Fuck.
» Hmmmh. Hinterher denke ich immer, warum haben wir nicht viel öfter Sex?« Stina rollte sich aus der Umarmung auf den Rücken und streckte Arme und Beine genüsslich aus.
Grewe strich ihr mit den Fingerspitzen über den weichen Bauch, Stinas Zwerchfell zuckte von dem Kitzel, sie kicherte und warf sich auf die Seite, schmiegte ihren Rücken wieder an Grewe und zog seinen Arm um sich.
» Ich denke das immer vorher, weißt du?« Grewes Finger glitten durch den dünnen Schweißfilm unter Stinas Brüsten, dann fasste er zart drückend jeden der beiden warmen weichen Hügel. Wie frisch geformte Hefeteigkugeln, fand Grewe.
» Du denkst das den ganzen Tag, du Monster«, zischte Stina mit gespielter Entrüstung, zog seine Hand von ihrem Busen und schob sie zwischen ihre Schenkel. Sie wackelte ein bisschen mit dem Po, und Grewe unternahm einen halbherzigen Versuch, erneut in die warme Höhle zu gelangen.
» Ich muss erst auf die Uhr schauen, Süßer.«
Der Wecker war heruntergefallen, als die beiden sich küssend und greifend und zerrend aufs Bett bugsiert hatten. Stina beugte sich weit vor und stocherte mit der Hand unter der Bettkante herum. » Herrjeh, wo ist der denn jetzt hingekullert?«
Grewe überschlug hastig im Kopf den Zeitplan des Abends. Klara und Robert mussten um halb zehn beim Training abgeholt werden, Lotta schlief heute bei Stinas Eltern. Es konnte jetzt allerhöchstens halb neun sein.
Einmal Sex in aller Ruhe war schon toll, aber dass er zu einer zweiten Runde fähig und Stina dazu willens war und dann auch noch die Zeit ausreichen würde – das wäre sensationell. Grewe schloss die Augen und atmete tief. Bitte, bitte, dachte er. Sex mit Stina war immer noch spektakulär, obwohl die Zeit der wilden Gefechte und akrobatischen Verrenkungen schon lange vorbei war. Es war gerade diese Vertrautheit, das gemeinsame Erleben des körperlichen Alterns, das Wissen um die empfindsamen Stellen des anderen und die gewachsene Zuneigung zu jeder Speckrolle, jeder dünner werdenden Hautpartie, die es immer wieder so aufregend machte.
Plötzlich schob sich das Bild der fast nackten Therese vor sein inneres Auge. Grewe schämte sich wegen der Erregung, die ihn gepackt hatte, aber andererseits … Entscheidend war, ob man dem Befehl des Unterleibs willenlos folgte oder ihn ignorierte. Und er hatte jeder Anfechtung widerstanden, in all den Jahren. Es war ihm allerdings auch nie wirklich schwergefallen. Keine Frau kam Stina gleich. Sie war unverwechselbar, das liebte er fast am meisten an ihr.
Unter tausend Frauen in einer Fußgängerzone würde er sie binnen Sekunden orten können, das sagte Grewe ihr oft.
» Weil ich eine riesige Nase und einen zu breiten Mund habe«, sagte sie dann immer lachend.
Grewe mochte Therese sehr gern, und sie war nach durchschnittlichen Kriterien hübscher als Stina. Ihr Körper hatte einen aufregenden Anblick geboten. Aber sie war einfach einige Jahre jünger als Stina, hatte nicht drei Kinder geboren, und ihr blieb trotz aller beruflichen Anforderungen genug Zeit für Sport und Schönheitspflege. Denn sie sorgte für niemanden außer sich selbst. Ein vollkommen unfairer Wettbewerb, und schon allein deswegen wäre er nicht schwach geworden, da war er sicher. Weil Stina so etwas einfach nicht verdient hatte. Und weil Weniges auf der Welt peinlicher war als mittelalte, leicht übergewichtige Männer wie Grewe, die straffen Schenkeln und prallen Brüsten hinterherhechelten und glaubten,
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