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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wirklich lieber, Aubrey hätte nicht so viel geredet. Ich kann ihn wirklich gut leiden, und ich bin überzeugt, dass er ein aufrichtiger Vertreter des Volkes und, was noch wichtiger ist, ein ehrlicher Mann im Unterhaus wäre …«
    »Aber?«, hakte sie nach. »Er kommt doch hinein, oder nicht? Den Sitz haben die Liberalen doch seit Menschengedenken!« Sie hatte den Wunsch, dass möglichst viele Liberale ins Unterhaus kamen, damit die Partei wieder die Macht übernehmen konnte, und sie musste an Rose denken und daran, wie niedergeschlagen sie sein würde, falls Aubrey der Sprung nicht gelang. Es wäre eine ausgesprochene Demütigung, einen sicheren Sitz zu verlieren, nicht nur einfach eine Frage von unterschiedlichen Auffassungen, sondern eine persönliche Zurückweisung.
    »Schon, soweit man da sicher sein kann«, stimmte er zu. »Und wir werden auf jeden Fall die Regierung bilden, selbst wenn die Mehrheit nicht so groß ist, wie wir es gern hätten.«
    »Und was ist nicht in Ordnung? Sag jetzt bloß nicht, ›alles‹!«, sagte sie.
    Jack biss sich auf die Lippe. »Es wäre mir lieb, wenn er einige seiner radikaleren Vorstellungen für sich behalten würde. Er … er steht dem Sozialismus näher, als ich angenommen hatte.« Er sprach langsam, wog seine Worte sorgfältig ab. »Er bewundert Sidney Webb. Ist das nicht schrecklich! Wir können doch Reformen nicht mit solchen Riesenschritten durchführen. Die Leute wollen das nicht, und die Tories würden uns daraus einen Strick drehen! Als ob es um die Frage ginge, ob wir ein Weltreich brauchen oder nicht! Wir haben es nun einmal,
da kann man nicht so tun, als existierte es nicht. Wenn wir den Handel, die Arbeitsplätze, den Status in der Welt, die Verträge und was noch alles haben, können wir nicht den Sinn und Zweck in Frage stellen, der dahinter steht. Ideale sind großartig, aber wenn sie sich nicht auf Realitätssinn stützen, können sie uns zugrunde richten. Ganz wie das Feuer sind sie ein guter Diener, aber von zerstörerischer Kraft, wenn sie als Herren auftreten.«
    »Hast du das Aubrey gesagt?«, fragte sie.
    »Ich hatte noch keine Gelegenheit dazu, werde es aber nachholen.«
    Schweigend fuhren sie eine Weile dahin. Mit einem Mal gingen ihr die plötzlichen sonderbaren Fragen nach spiritistischen Sitzungen und die an Rose erkennbare Anspannung durch den Kopf. Sie wusste nicht recht, ob sie Jack damit belästigen sollte oder nicht, doch bereitete ihr die Sache ein so großes Unbehagen, dass sie sie nicht einfach abschütteln konnte.
    Die Kutsche bog scharf in eine stillere Straße ein, wo die Laternen in größeren Abständen standen und ein geisterhaftes Licht auf die Äste der Bäume warfen. Das Pflaster wurde holpriger.
    »Rose hat über Spiritismus gesprochen«, sagte sie unvermittelt. »Es dürfte das Beste sein, Aubrey zu bitten, dass er ihr sagt, sie soll so etwas für sich behalten. Menschen, die ihm feindlich gesonnen sind, könnten das falsch auslegen, und wenn der Wahltag erst einmal feststeht, wird es davon mehr als genug geben. Ich … ich könnte mir vorstellen, dass Aubrey nicht daran gewöhnt ist, angegriffen zu werden. Er ist so bezaubernd, dass ihn fast alle Welt gern hat.«
    Verblüfft fuhr er herum und sah sie an.
    »Spiritismus? Meinst du damit Medien wie Maude Lamont?« In seiner Stimme schwang eine so unverkennbare Besorgnis, dass sie seinen Gesichtsausdruck nicht zu sehen brauchte, um zu wissen, was er dachte.
    »Sie hat diesen Namen nicht erwähnt, obwohl alle Welt von Maude Lamont redet. Wohl aber hat sie von Daniel Dunglass Home gesprochen, doch vermutlich läuft es auf dasselbe hinaus. Es ging um Levitation, Ektoplasma und dergleichen.«
    »Ich weiß nie, wann Rose Späße macht und wann nicht … War es ihr etwa ernst?«
    »Ich bin nicht sicher«, sagte sie, »aber ich glaube schon. Ich hatte den Eindruck, dass ihr etwas sehr zu schaffen macht.«
    Unbehaglich rutschte er auf seinem Sitz herum. »Auch darüber muss ich mit Aubrey sprechen. Aus einer Sache, die für eine Privatperson eine harmlose gesellschaftliche Unterhaltung ist, machen die Journalisten bei jemandem, der für das Unterhaus kandidiert, einen Strick, an dem sie ihn aufhängen. Ich sehe die Karikaturen schon genau vor mir!« Da sie in diesem Augenblick an einer Straßenlaterne vorüberfuhren, sah sie, wie er das Gesicht verzog. »›Wir wollen Mistress Serracold fragen, wer die Wahl gewinnt! Ach was, noch besser … wer das Spring-Derby gewinnt!‹«, sagte er

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