Feindfahrt
mit Gewalt von ihr lösen.
Sie schüttelte die Jüngere und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige. »Reißen Sie sich zusammen , Schwester! Vergessen Sie nicht, wer Sie sind!«
Neben ihr kämpfte sich Schwester Elisabeth
hoch; das Wasser reichte ihr bis zur Taille, so daß sich der Rock
ihrer schwarzen Kutte bauschte. Nun öffnete sich auch die
Kabinentür neben Prager, Schwester Regina und Schwester Brigitte
spähten her aus. Prager , der erstaunlich
gelassen wirkte, sagte beruhigend: »Es wird nichts passieren,
Schwestern. Kein Grund zur Aufre gung. Begeben Sie sich zum
Niedergang.«
Schwester Angela erreichte die Treppe als erste,
einen Arm um Schwester Maria gelegt. Prager reichte ihr die Laterne,
dann half er den übrigen, einer nach der ändern, bis alle in
dem schräg geneigten Niedergang versammelt waren.
Als er sich zu Schwester Angela durchschob, wurde
oben die Niedergangsluke geöffnet. Es war Berger, in einer Hand
eine Sturmlaterne. »Alles in Ordnung?«
»Ich glaube schon«, antwortete Schwester Angela . Er
hockte sich nieder und sagte zu ihr: »In die Boote zu gehen, hat
keinen Zweck. Die würden sich in dieser See keine fünf
Minuten hal ten. Verstehen Sie mich, Schwester?« »Was
sollen wir also tun, Kapitän?« »Bleiben Sie
vorläufig hier.«
»Was ist passiert, Erich?« wollte Prager wissen.
»Der Ballast ist in den Leebug gerutscht.
Der größte Teil der Besatzung ist jetzt unten und versucht,
etwas dagegen zu un ternehmen. Sie werden ebenfalls gebraucht, Otto.
Wenn uns eine weitere Bö trifft, solange wir in diesem Zustand
sind, wer den wir kentern.«
Wortlos hievte sich Prager ins Dunkel hinaus.
Schwester Ange la fragte: »Können wir denn nicht irgendwas
tun, Kapitän?« »Beten«, erwiderte Erich Berger.
»Inständig.« Dann warf er die Tür ins
Schloß.
Als Otto Prager die Leiter in den Laderaum hinabkletterte, war es wie ein Abstieg in die Hölle. Die Besatzung schaufelte im Schein einiger Sturmlaternen blindwütig Sand nach Luv. Je desmal, wenn das Schiff rollte, stürzten die Männer zu Boden. Prager stieg von der Leiter und fiel sofort auf die Knie. Irgend jemand schrie angstvoll auf, die anderen schaufelten mit grim miger Verbissenheit weiter. Die einzigen Geräusche waren das Knarren der Schiffsplanken und das Heulen des Sturms drau ßen.
Ein starker Arm half Prager auf: Helmut Richter sah grinsend auf ihn herab. »Nun stellen Sie sich bloß mal vor: Sie könnten jetzt heil und sicher in Rio sitzen, vor dem Dinner einen Cock tail trinken und von einer Terrasse der Copacabana auf die Lichter der Bucht hinausblicken...«
»Dem ist aber nicht so, also geben Sie mir endlich eine Schau fel, damit ich mich an die Arbeit machen kann«, entgegnete Prager.
Eine Weile schon war deutlich zu spüren, daß sich die Deutschland ganz allmählich aufrichtete. Im Halbdunkel des Niedergangs jedoch schien es eine Ewigkeit, bis sich die Tür wieder öffnete und Kapitän Berger hereinsah. Er brachte ein leichtes Lächeln zustande, aber es kostete ihn Mühe. »Haben Sie gebetet, Schwester?« »Das haben wir.«
»Nun, Ihre Gebete wurden anscheinend erhört. Irgend jemand auf diesem Kahn ist offenbar ein guter Mensch. Ich bin es be stimmt nicht, also werden Sie es vermutlich sein.«
»Das halte ich nicht für ausgeschlossen, Herr Kapitän.« »Aus gezeichnet. Wir werden so schnell wie möglich die Pumpen in Gang setzen, aber Feuer in der Kombüse gibt es erst morgen früh wieder. Ich fürchte, Sie werden es für den Rest der Nacht recht ungemütlich hier unten haben.« »Wir werden's schon überleben.«
In einem plötzlichen Anfall von Ärger fuhr er dann ziemlich unwirsch fort: »Verdammt noch mal, Schwester, Sie waren es doch, die unbedingt mitwollte. Ich habe Sie rechtzeitig ge warnt.«
»Ja, Kapitän, das haben Sie wohl«, antwortete Schwester An gela . »Und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar - unter anderem.« Sie blickte auf die Gesichter der anderen Nonnen, die im schwachen Schein der Laterne zu ihr aufschauten. »Wollen wir beten, meine geliebten Schwestern?« Laut begann sie ein Ge bet nach dem Sturm vorzusprechen. »Sie riefen zum Herrn in ihrer Not; und er erlöste sie von ihrem Unglück...« Berger schloß die Niedergangstür und wandte sich an Otto Prager, der erschöpft neben ihm lehnte.
»Welch eine Frau!« sagte er bewundernd . »Welch eine ver dammt enervierende ... «
» ... wunderbare Frau«, beendete Prager den Satz für ihn . Berger lachte; dann ging er zum Achterdeck ,
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