Feindfahrt
wo Richter jetzt allein am Ruder stand , denn der Wind hatte ein bißchen nachgelas sen , obwohl die See immer noch schwer ging .
Sturm kam die Leiter herab. »Ich habe ein paar Mann an die Pumpe gestellt , Käpt'n. Weitere Befehle?«
»Ja« , antwortete Berger. »Holz, Sturm, holen Sie jede Planke , die Sie finden. Schlachten Sie das Schiff aus , wenn's nicht an ders geht. Jede Koje und jeden Schrank , falls notwendig , aber ich will , daß der Sand innerhalb von vierundzwanzig Stunden abgedeckt ist , damit er auf keinen Fall mehr verrutschen kann. Egal , was passiert.«
»Aye , aye , Käpt'n.« Sturm zögerte. »Das war knapp , nicht wahr , Käpt'n?«
»Zu knapp , Sturm« , gab Berger zurück. »Wir müssen dafür sorgen , daß so was nicht zur Gewohnheit wird.« Er drehte sich um und ging auf seine Kajüte zu.
5
Schonerbark DEUTSCHLAND, 17. September 1944. 38° 56' nördl. Breite , 30° 50' westl. Länge. Wind während der Mittelwache nach West umgesprungen. Wir machen zehn Knoten. Wolkendecke löste sich kurz vor Mittag auf , und die Sonne brach durch; Wind legte sich vollständig.
Die Deutschland schien im leeren Raum zu treiben; sie lag vollkommen still , alle Segel gesetzt, Rahen gebraßt, ihr Spie gelbild glasklar auf dem grünen Wasser.
Es war heiß, kein Lüftchen regte sich. Die Atmosphäre unter Deck war unerträglich, daher hatte der Kapitän befohlen, hinter dem Hauptmast ein Sonnensegel zu spannen, damit die Schwe stern wenigstens ein bißchen im Freien sein konnten und vor der grellen, heißen Sonne geschützt waren.
Die meisten der Mannschaft und der Passagiere litten jetzt un ter Geschwüren, eine Folge nicht nur der unzureichenden Er nährung, sondern der unablässigen Einwirkung des Salzwas sers auf die Haut. Einer der Männer, ein stämmiger Hamburger namens Schirmer, war praktisch gelähmt durch ein ganzes Nest dieser Geschwüre am linken Bein. Stöhnend lag er in einem Deckstuhl, während Schwester Angela versuchte, ihm mit einer Lanzette Erleichterung zu verschaffen.
Vor dem Großmast bedienten vier Besatzungsmitglieder unter der Aufsicht von Leutnant Sturm die schweren Eisenhebel der beiden Lenzpumpen, die das Wasser in braunem Strahl auf das Deck spuckten. Richter, der gerade selbst eine halbe Stunde gelenzt hatte, tauchte eine Kelle in den Wassereimer und rümpfte voll Abscheu die Nase. »Haben Sie das gesehen, Herr Leutnant?« fragte er Sturm, während er den Inhalt der Kelle in den Eimer zurückschüttete.
»Das Wasser war dunkelrot.« »Rost aus den Tanks, vermute ich.«
Sturm grinste . »Auf diesem Schiff ist für alles gesorgt. Man kriegt nicht einfach einen Schluck Wasser, o nein, man be kommt eine Portion kräftigendes Eisen gratis dazu. Hervorra gend für die Gesundheit.«
»Mein Bauch ist da aber anderer Meinung.« Richter rieb sich kräftig den Leib. »Manchmal sind die Krämpfe kaum auszuhal ten. Und den anderen geht's nicht besser.«
Schwester Maria stand bei den Backbordbesanwanten. Wie die anderen Nonnen hatte sie wegen der Hitze wieder ihr weißes Tropenhabit angezogen. Und Richter fragte sich wieder, wie sie es nur fertigbrachte, ihre Tracht so makellos sauberzuhal ten. Sie sah äußerst anziehend aus, wie sie dastand, eine Hand an das Tau gelegt, und auf das weite Meer hinausblickte. Walz, der Koch, kam aus der Kombüse und leerte direkt neben ihr einen Eimer Abfall über die Reling. Hastig wich sie einen Schritt zurück. »Verzeihung, Schwester«, sagte er scheinheilig. »Schon gut, Herr Walz«, antwortete sie mit leiser Stimme. Er musterte sie frech und zeigte grinsend die schlechten Zähne. Die Lüsternheit in seinem Blick war nicht zu übersehen: Ihr Lächeln verlosch, und sie griff nach den Wanten, als müsse sie dort Halt suchen. Als Walz sich umdrehte, um in die Kombüse zurückzukehren , lehnte Richter vor dem Eingang. Sein nackter , muskulöser Oberkörper war sonnengebräunt , das lange , blonde Haupt- und Barthaar beinahe weiß gebleicht. Zwischen den Zähnen steckte eine dicke schwarze Brasil. In seinen schützend gebogenen Händen flammte ein Streichholz auf. Als er sich über die Flamme beugte, sagte er sehr leise zu Walz: »Paß bloß auf, du mieses Schwein! Das ist keine St.-Pauli-Hure.« »Ach so. Sie sind wohl auch hinter ihr her, wie?« Walz begann wieder zu grinsen. »Kann ich Ihnen nicht verdenken. Die Fahrt ist lang, und Frau ist Frau, wie der Käpt'n ganz richtig sagte, egal, wie sie sich anzieht. Was zählt, ist nur, was sie zwischen
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