Feindfahrt
noch Schlechtwetter haben, deswegen ist es tröstlich, zu wissen, daß es unterhalb der Was serlinie immer noch nicht wesentlich schlechter aussieht als bisher.«
Er griff nach dem Füllhalter und hatte, als Richter die Kapi tänskajüte verließ, bereits wieder angefangen zu schreiben .
Kurz nach halb neun tauchte endlich Fhada vor der Katrina auf . Gericke, auf dem Drehstuhl vor dem Kartentisch, die Hän de auf dem Rücken gefesselt , betrachtete interessiert den grau grünen Felsbuckel, der da im strömenden Regen kauerte, die kalkweißen Klippen, die in dichten Schwärmen kreisenden Seevögel: Kormorane, Tordalken und alle möglichen Variatio nen von Möwen. »Das ist also Fhada.« Murdoch, der am Ruder stand, nickte bestätigend. »Es heißt, daß der Name von dem alten gälischen Wort Fuideidh stammt, und das bedeutet „Insel, die abseits der anderen Inseln liegt".«
»Interessant.« Gericke atmete tief ein. »Ich liebe Inseln. Sie haben etwas Besonderes. Im April neunzehnhundertundvierzig fuhr ich in der Ägäis Patrouille und kriegte so ein seltsames Fieber. Das hab' ich damals auf Korfu auskuriert . Eine wun derbare Insel . Es war April, überall blühten die herrlichsten wilden Blumen, die ich jemals gesehen habe, und die Schmet terlinge...«
»Das mag ja sein, aber Fhada ist völlig anders, mein Freund.« Janet kam mit einem Becher Tee. »Ich dachte, Sie würden Ih ren lieber unter Deck trinken«, sagte sie zu Murdoch. »Schalten Sie auf automatische Steuerung, dann behalte ich hier oben alles im Auge und füttere auch den Stolz der deut schen Kriegsmarine ein bißchen.«
Murdoch zögerte, fixierte aber dann doch die automatische Steuerung. »Zehn Minuten, mehr kann ich Ihnen nicht zugeste hen«, mahnte er eindringlich und ging.
»Anscheinend glaubt er, daß Sie mit mir allein sein wollen«, bemerkte Gericke. »Wie romantisch!«
»Nichts hätte weniger mit der Wahrheit zu tun«, entgegnete sie. »Ich wollte nur, daß er sich zehn Minuten hinsetzt und et was Heißes zu trinken kriegt. Er ist alt, oder ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?«
»Jetzt spricht aber der Arzt in Ihnen. Geschieht das öfter?« »Auf Fhada nicht, das kann ich Ihnen versichern. Die Men schen dort strotzen vor Gesundheit.«
»Ich habe das Gefühl , daß Sie diese Insel lieben«, sagte er. »Sie übt eine seltsame Anziehung auf mich aus. Es ist fast, als höre die Außenwelt auf zu existieren , was sie nicht selten auch tatsächlich tut. Auf Fhada herrschen im April zum größten Teil Windstärken von vier bis sieben. Von September an ist so gut wie alles drin. Es heißt , einmal sei ein Constable vom Festland rübergeschickt worden , um einen Einheimischen abzuholen , der im Gefängnis von Stirling sechs Wochen Haft absitzen sollte.« »Und was passierte?«
»Das Wetter wurde so schlecht, daß seine Strafzeit bereits ab gelaufen war , als das Boot endlich auslauten konnte.« »Dann könnte es also sein , daß das hier für mich ein ausge dehnter Aufenthalt wird, wie?«
»Dies ist das gefährlichste Gebiet an der gesamten Westküste. Das Washington Reef zum Beispiel . Deswegen wurde hier achtzehnhundertzweiundachtzig die erste Seerettungsstation eingerichtet. Bootsführer ist im Augenblick Murdoch.« »Ist er nicht ein bißchen alt?«
»Er hat achtunddreißig den Dienst quittiert und kam zurück, als sein Sohn Donald, der sein Nachfolger war, zur Navy eingezo gen wurde. Onkel Carey sagt, er ist ein Genie. Einer der besten Bootsführer in der Geschichte der Seerettungsgesellschaft.« »Aha. Und wovon leben die Menschen hier?«
»Ein bißchen Ackerbau. Schafe , Rinder , Fischerei. Die Ein wohnerzahl ist jetzt sehr gering . Nur Frauen , Kinder und alte Menschen. Alle anderen sind auf See. Die meisten fahren auf Handelsschiffen.« Als sie sich der Insel näherten , begegneten sie den letzten vier Fischerbooten, die auf Fhada noch in Be trieb waren und jetzt gerade ausliefen. Janet winkte. »Alte Männer« , stellte Gericke fest. »Und Kinder«, ergänzte sie. »Was anderes wird bald nicht mehr übrig sein, wenn dieser verdammte Krieg noch lange dauert.« Als sie in den Hafen einliefen, sah Gericke einen kleinen, dunklen Mann mit schwarzer Augenklappe auf dem oberen Teil der Mole stehen. Er trug uralte Seestiefel und eine abgewetzte Seemannsjacke. Als sie an Land waren, legte Janet ihm beide Hände auf die Schultern. »Und das ist, ob Sie es glauben oder nicht, mein Onkel Carey, Konteradmiral Reeve, United States Navy, im
Weitere Kostenlose Bücher