Feindfahrt
neue Wettermeldung von Stornoway.
US-Zerstörer Carbisdale einhundertzehn Meilen nordwestlich Butt of Lewis meldet orkanartige Winde mit Böen bis zu ein hundertzwanzig Knoten.
»Einhundertzwanzig!« sagte Jago betroffen.
»Ganz schöne Brise«, bemerkte Murdoch ernst. »Hab noch nie so was erlebt.«
Janet brachte den Tee und die Sandwiches, stellte das Tablett auf den Tisch und kehrte wortlos zu Jean in die Küche zurück. Jago nahm sich hungrig ein Sandwich und bückte sich, um Rory freundschaftlich den Kopf zu tätscheln. Die Uhr auf dem Kaminsims schlug acht. Als der letzte Schlag verklang, kam über Funk plötzlich eine Stimme, die nur gebrochen Englisch sprach. »Schonerbark Deutschland. Wir treiben steuerlos . Schätze meine Position auf etwa zwanzig Meilen südwestlich Fhada in den Äußeren Hebriden . Ko mmt uns um Himmels wil len zu Hilfe! Ich habe Frauen an Bord.«
Die Stimme ging in einem Meer von Störungen unter. Reeve wandte sich um und starrte Jago an. »Hat er tatsächlich Deutschland gesagt?«
»So hat es sich jedenfalls angehört, Admiral.«
»Eine Dreimast-Schonerbark«, sagte Murdoch verwundert. »Hätte nie gedacht, daß ich so was noch mal erleben würde.« Janet und Jean kamen ebenfalls aus der Küche, um mitzuhören. »Verdammt noch mal, das kann doch nicht wahr sein!« sagte Reeve restlos verblüfft.
Wieder kam Bergers Stimme durch das Rauschen und Knacken im Äther. »Hier spricht Schonerbark Deutschland. Wir brau chen dringend Hilfe. Zwanzig Meilen südwestlich von Fhada. Ich habe Frauen an Bord.«
»Da ist er wieder, Admiral« , m eldete Jago. »Der Kerl muß echt sein.« Reeve griff nach dem Mikrophon , als Berger jedoch seinen Hilferuf wiederholen wollte , wurde er von einer anderen Stimme unterbrochen. »Hallo , Deutschland, hier großer schwarzer Adler.« Was jetzt folgte , war unverständlich , weil ausschließlich Deutsch.
Reeve lehnte sich verwirrt zurück. »Was , zum Teufel , soll das heißen? Zuerst schreit da ein Kerl um Hilfe , und dann kommt lauter Kraut-Kauderwelsch, von dem ich kein einziges Wort verstehe.« Nach einer kurzen, gespannten Pause sagte Janet sehr behutsam: »Gericke würde es verstehen.«
Auf der Deutschland hatte sich die Lage noch verschlechtert. Um 7.15 Uhr bestand kein Zweifel mehr daran, daß sie das Groß-Untermarssegel nicht mehr halten konnten, und Berger gab Sturm die entsprechenden Befehle.
Dieses Unternehmen wurde ungeheuer schwierig. Obwohl die Männer nicht sehr hoch über dem Deck arbeiteten, hatten sie ständig den furchtbaren Orkan gegen sich. Alle Taue waren auf doppelten Umfang aufgequollen, die Taljen klemmten bei der kleinsten Berührung, und ununterbrochen wurden sie vom Sturm attackiert, der ihnen, scharf wie ein Skalpell, mit dem Spritzwasser, das er vor sich hertrieb , die Haut aufritzte. Endlich aber war es geschafft; erschöpft kletterten die Männer aufs Deck hinab. Der Orkan beherrschte alles, teilte dem Schiff mit seinen Böen einen Schlag nach dem anderen aus. Wolken fetzen jagten über den Himmel, scheinbar so niedrig, daß sie die Mastspitzen berührten. Flächenblitze zuckten grell, der Re gen strömte ohne Unterlaß. Vier Männer schufteten an der Pumpe. Berger, der sie vom Achterdeck aus beobachtete, fühlte sich zu völliger Hilflosigkeit verurteilt. Was sollten diese ver zweifelten Versuche angesichts der tobenden Elemente? Er drehte sich nach Sturm und den beiden Männern um, die mit dem Leutnant am Ruder standen - und öffnete den Mund zu einem Schrei, denn eine gigantische See brach von achtern über das Schiff herein. Die Deutschland erzitterte, und Berger lag an die Reling geklammert auf dem Rücken , während sich Hunderte von Tonnen Wasser bugwärts wälzten. Von Winzer und Kluth war nichts mehr zu sehen, nur Sturm hielt noch das Ruder gepackt.
Berger lief taumelnd über das Achterdeck, um dem Erschöpf ten zu Hilfe zu eilen. Die Lee-Reling der Deutschland tauchte ins Wasser. Die beiden Männer kämpften wie die Teufel, Ber ger stieß einen Strom von Flüchen aus, und dann begann das Schiff unendlich langsam auf das Ruder zu reagieren. Doch dieser letzte Schlag erwies sich als tödlich. Ein großer Teil der Takelage war weggerissen, die Rettungsboote davongespült.
Und die Kombüse war völlig verschwunden.
Als Richter die Leiter heraufkam, schrie Kapitän Berger ihm ins Ohr: »Zwei Mann zusätzlich ans Ruder , Richter. Dann so fort Schadensmeldung, aber schnell.«
Der Bootsmann hastete davon.
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