Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
um eine andere Ecke gebogen waren.
»Sollen wir ihnen folgen, Euer Wohlgeboren?«
»Nein«, sagte Kaspar. »Wir sollten keinen Ärger provozieren. Besonders, wenn dieser Ärger nur auf uns wartet.« Er trat aus dem Eingang. »Komm, hier entlang.«
Sie kehrten auf ihre ursprüngliche Route zurück und trafen bald im Haus am Fluss ein. Sobald sie drinnen waren, brachte man sie nach oben, in ein Zimmer im hinteren Teil des Hauses. Dort warteten Tal und seine Frau und ein Mann, den Kaspar schon einmal gesehen hatte, ein hoch gewachsener, weißhaariger Magier.
Tal nickte zum Gruß. »Kaspar, ich glaube, Ihr erinnert Euch an Magnus.«
»Ich könnte ihn nie vergessen.«
Der Magier sagte ohne eine Spur von Humor: »Ich sehe, Ihr habt die Nomaden überlebt.«
»Und viele andere Dinge. Was hat Tal Euch gesagt?«
»Dinge, die hier nicht wiederholt werden sollten.«
Dann wandte sich Magnus an Tal und sagte: »Wir werden bald zurück sein.« Und an Amafi gewandt:
»Ihr bleibt hier bei Tal.«
Magnus trat vor und legte die Hand auf Kaspars Schulter. Kaspar spürte ein Surren, sah verschwommenes Grau, und dann befand er sich an einem Ort, wo es gerade erst Nachmittag war.
Er konnte die Vögel in den Baumwipfeln hören, als er sich umsah. Eine große Villa lag vor ihm in einem friedlichen Tal. Kaspar konnte Menschen sehen, die sich dort geschäftig bewegten, ebenso wie andere Geschöpfe, die er nicht identifizieren konnte.
Aber nach allem, was er bisher erlebt hatte, war er nicht so leicht zu schockieren.
»Wo sind wir?«
»Auf dem Landsitz meines Vaters im Bitteren Meer.«
»Euer Vater war der kleine, ernste Herr, der Tal vor einem Jahr überredet hat, mich am Leben zu lassen, nicht wahr?«
Nun lächelte der hoch gewachsene Magier. »Ja, das war mein Vater. Kommt, er erwartet, dass ich bald zurückkehre und Tals rätselhafte Botschaft er-kläre. Es ist besser, wenn Ihr ihm Eure Geschichte selbst erzählt.«
Magnus brachte Kaspar zum Garten der Villa und führte den ehemaligen Herzog von Olasko dann einen langen Flur entlang und in ein sehr großes Zimmer, in dem sich ein Schreibtisch und eine gewaltige Sammlung von Büchern, Schriftrollen und Pergamenten befanden – auf Regalen, in Körben oder auch auf dem Boden. Ein kleiner, bärtiger Mann in schwarzem Gewand saß am Schreibtisch, die Stirn vor Konzentration gerunzelt, und las etwas auf einem Pergament.
Als er aufblickte, schien er ein wenig überrascht.
»Magnus, ich hätte nicht erwartet, dass du mit einem Gast zurückkehrst. Kaspar von Olasko, wenn ich mich nicht irre?«
»Du irrst dich nicht, Vater«, sagte Magnus. »Tal Hawkins hat ausrichten lassen, dass er mit einem Mitglied des Konklaves sprechen musste, und als ich zu ihm kam, erzählte er mir eine seltsame und schreckliche Geschichte. Es ist eine Geschichte, die dieser Mann am besten selbst wiederholen sollte.«
»Ich heiße Pug, und das hier ist mein Zuhause«, sagte der kleine Mann. »Ich erinnere mich nicht, dass wir uns je offiziell vorgestellt wurden«, fügte er trocken hinzu.
Kaspar lachte. »Ich glaube, wir waren beide ziemlich beschäftigt.«
»Was ist das für eine schreckliche Geschichte, die meinen Sohn veranlasst, das Protokoll zu brechen und Euch ohne meine Erlaubnis hierher einzuladen?«
Er warf seinem Sohn einen fragenden Blick zu.
»Wenn das, was er sagt, wahr ist, Vater, dann ist es ausgesprochen bedeutsam.«
»Also gut. Hm…«, murmelte Pug. »Ich kann Euch wohl nicht mehr als >Euer Gnaden< ansprechen, wie?«
»Kaspar genügt.« Er setzte sich auf den Stuhl, der dem Schreibtisch gegenüberstand.
Pug fuchtelte mit dem Pergament herum, das er studiert hatte. »Es ist ein interessanter Zufall, dass Ihr gerade heute auftaucht; ich habe eben versucht, etwas zu verstehen, das Euer Freund Leso Varen in der Zitadelle hinterlassen hat.«
Kaspar lachte. »Das vergangene Jahr hat mir den deutlichen Eindruck vermittelt, dass Freund wohl kaum der richtige Begriff ist. Manipulativer Parasit beschreibt ihn meiner Ansicht nach viel besser.«
Pug seufzte. »Ich wünschte beinahe, er wäre noch am Leben, denn es gibt viele Fragen, die ich ihm wirklich gerne stellen würde.«
»Oh, er lebt noch.«
Pug richtete sich ruckartig auf. »Seid Ihr sicher?«
Kaspar war verdutzt. »Ich habe ihn nicht gesehen, aber aus einer sehr zuverlässigen Quelle gehört, dass er irgendwo noch am Leben ist. Die Person, die mir das sagte, verglich Varen mit einer Küchenschabe –
man kann den ganzen Tag
Weitere Kostenlose Bücher