Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
Ding, nicht älter als neunzehn Jahre und typisch für diesen Beruf; ein armes Mädchen, das hoffte, sich auf diese Weise einen reichen Ehemann zu angeln oder doch zumindest ein großzügiges Geschenk zu erhalten. Erst die Zeit würde zeigen, ob sie tatsächlich heiraten oder in einem Bordell landen würde.
Kaspar legte sich wieder hin, aber er konnte nicht mehr schlafen. Er drehte sich um und versuchte, seine Gedanken wegzuschieben, aber jedes Mal, wenn er wieder eindöste, hatte er das verstörende Bild des Wagens vor seinem geistigen Auge, und von dem, was darauf lag.
Schließlich stand er auf, zog sich an und hinterließ dem Mädchen ein paar Silberstücke. Wenn Flynn Recht hatte, würden sie schon bald genug Geld haben, um diese paar Münzen zu ersetzen.
Er öffnete gerade die Tür, als das Mädchen aufwachte. »Gehst du schon?«, fragte sie verschlafen.
»Ich muss früh aufbrechen«, erwiderte Kaspar und schloss die Tür hinter sich.
Vorsichtig ging er durch die dunklen Straßen, denn er wusste, dass um diese Nachtzeit nur wenige rechtschaffene Leute unterwegs waren. Schließlich erreichte er das Lagerhaus, und als er die Tür öffnete, sah er, dass Kenner wach war und die anderen schliefen.
Kenner kam leise auf ihn zu und sagte: »Ich wusste, dass du schon vor dem Morgengrauen hier sein würdest.«
Kaspar ignorierte das Bedürfnis, mit einer boshaften Bemerkung zu reagieren, und erwiderte einfach:
»Warum bist du wach?«
»Einer von uns ist immer wach. Es wird jetzt besser werden, da du hier bist. Wie spät ist es?«
»Etwa zwei Stunden nach Mitternacht«, sagte Kaspar.
»Dann kannst du die nächsten drei Stunden nehmen und danach McGoin wecken.« Kenner kroch unter den Wagen, zog eine Decke über sich und rollte sich zum Schlafen zusammen.
Kaspar setzte sich auf eine Kiste und hielt Wache.
Kenner war schnell eingeschlafen, und so war er mit seinen Gedanken allein. Er widersetzte sich dem Bedürfnis, zum Wagen zu gehen und die Plane zu heben. Er weigerte sich zu glauben, dass ein unnatürlicher Zwang ihn dazu gebracht hatte, hierher zu kommen. Er war aus freiem Willen hier.
Er verfluchte alle Magier und alle magischen Gegenstände, als er wieder einmal an seine jüngste Vergangenheit denken musste. Es war zu viel für einen Zufall, aber er akzeptierte auch nicht, dass es so etwas wie Schicksal gab oder dass die Götter wollten, dass er hier war. Er war niemandes Spielfigur. Er hatte die Gesellschaft eines Magiers genossen, aber Leso Varen war auch sein Berater gewesen, und so abstoßend einige seiner Vorschläge gewesen sein mochten, das Ergebnis hatte die Kosten bei weitem übertroffen. Varen war einflussreich gewesen, vielleicht der einflussreichste Berater an Kaspars Hof, aber es war stets Kaspar selbst gewesen, der die letzte Entscheidung getroffen und den Befehl gegeben hatte, was geschehen und nicht geschehen würde.
Dann kamen weitere Erinnerungen, an den Tag, an dem Leso Varen in der Zitadelle eingetroffen war.
Der Magier war bei einer offenen Audienz als Bittsteller erschienen, der einen Platz suchte, wo er sich eine Weile niederlassen konnte – ein schlichter Lieferant harmloser Magie. Aber er war sehr schnell zu einem festen Bestandteil des Hofes geworden, und irgendwann hatte sich Kaspars Sicht der Dinge geändert.
War er immer schon so ehrgeizig gewesen, fragte er sich jetzt plötzlich, oder hatten die honigsüßen Worte des Magiers solche Macht über ihn gewonnen?
Er schob diese unerwünschten Gedanken beiseite; er empfand stets tiefe Bitterkeit, wenn er sich an sein Zuhause und alles erinnerte, was er verloren hatte.
Stattdessen wandte er sich den Dingen zu, die Flynn erzählt hatte.
Er versuchte, die Ereignisse in eine bestimmte Ordnung zu bringen. Es mochte selten vorkommen, dass sich Kaufleute aus Triagia nach Novindus wagten, aber es passierte mitunter. Und dass sich eine solche Gruppe hier aufhielt und Reichtümer suchte, die bisher rings um die See des Königreichs unvorstellbar gewesen waren, war ebenfalls vollkommen vernünftig. Dass sowohl er als auch diese Männer in dieser kleinen Stadt landen und ein gemeinsames Interesse entdecken sollten, war recht unwahrscheinlich, aber man konnte es immer noch als Zufall betrachten.
Außerdem hatte das Schicksal nichts damit zu tun, wo der weißhaarige Magier ihn abgesetzt hatte; es war zweifellos sehr wahrscheinlich gewesen, dass Kaspar nicht einmal seine ersten fünf Minuten dort überlebt hätte. Wie konnte irgendeine
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