Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
töten.«
»Es sei denn, er hat eine andere Möglichkeit gewählt.«
»Wie zum Beispiel?«
»Wenn er das Gleiche getan hat wie in Kesh und
ein Mitglied einer hochrangigen Familie oder sogar
der kaiserlichen Familie ist, könnte er auf diese Weise viel Schaden anrichten.«
»Soll er es doch versuchen«, sagte Miranda. »Seit
den Reformen der beiden letzten Kaiser ist das Spiel
des Rats etwa so tödlich wie eine Rauferei zwischen
zwei untergewichtigen Kätzchen. Es hat seit zehn
Jahren keinen politischen Mord mehr gegeben und
seit fünfzehn Jahren keinen offenen bewaffneten
Konflikt zwischen Clans oder Familien. Es ist da
drüben mittlerweile ruhiger, als es hier ist.«
»Dennoch«, sagte Caleb, »es könnte eine gute Sache sein, wenn du nach Kelewan zurückkehren und
deine Fähigkeiten einsetzen würdest, um Varen zu
finden. Du bist ihm nicht begegnet –«
»Ich war auf der Insel, als er zuschlug!«, erinnerte
sie ihren Sohn.
»Ich wollte gerade sagen ›bis auf das eine Mal auf
der Insel‹, was dir immer noch die Möglichkeit gibt,
ihn leichter zu erkennen als jeder andere auf Kelewan.«
»Ich könnte neben ihm stehen, Caleb, und nicht
wissen, wer er ist. Es gibt vielleicht eine gewisse …
Qualität an der Magie, die er benutzt, die dein Vater
erkennen würde, aber was ein Gefühl für ihn angeht,
solange er nur dasteht und redet …«
»Vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit.«
»Welche denn?«
»Stelle Fragen. Suche nach Dingen, die dir einen
Hinweis geben könnten, wie zum Beispiel, wer die
Versammlung zu seltsamen Zeiten verlassen hat.«
»Es gibt über vierhundert Mitglieder der Versammlung«, erinnerte Miranda ihren Sohn. »Es
könnte sich als ein wenig schwierig erweisen, das
Kommen und Gehen von Männern zu verfolgen, die
daran gewohnt sind, dass ihnen alle gehorchen.«
»Dann frag, ob sich jemand seltsam benommen
hat. Vater sagt, jemanden, der einen anderen Körper
bewohnt, braucht ein wenig Zeit, um sich anzupassen.«
»Er hat recht«, sagte Miranda, und blieb stehen,
als ihr noch etwas einfiel. »Mein Vater besaß Bücher
über Nekromantie, die sich immer noch auf der Insel
befinden.«
»Dann schlage ich vor, dass du dir sie ansiehst,
denn wenn du den Mann selbst nicht finden kannst,
dann vielleicht seine Magie.«
»Du hast mich auf eine Idee gebracht«, sagte Miranda und verließ eilig das Zimmer.
Caleb blickte zu der Tür, die seine Mutter gerade
benutzt hatte, und sagte leise: »Gern geschehen,
Mutter.«
Pug wartete, während der Dasati Martuch neben Magnus stand, begleitet von einem Priester aus einem
Tempel in der Nähe. Sie erlernten die Hauptsprache
der Dasati, indem sie »Tricks« anwendeten, die Nakor schon öfter benutzt hatte – eine Art von Magie,
die Pug während des Spaltkriegs von einem Priester
des Ishap namens Dominic gelernt hatte. Der hiesige
Priester war notwendig, weil Nakor sich immer noch
nicht sonderlich gut mit den »Tricks« auf Delecordia
auskannte und sein Verständnis erheblich verfeinern
musste, bevor er es wagen konnte, etwas zu versuchen, was den Geist beeinflusste.
Pug wusste nur, dass es den größeren Teil einer
Stunde gebraucht hatte, aber nun sprach er fließendes, idiomatisches Dasati, und er hatte schreckliche
Kopfschmerzen. Magnus sah aus, als würde er gleich
sein Mittagessen von sich geben.
»Das Unbehagen wird vergehen«, sagte Martuch.
Der Einzige, den das Erlebnis nicht weiter zu berühren schien, war Bek, der nun sehr aufgeregt über
die Aussicht war, sich auf die zweite Ebene der Realität zu begeben.
»Bevor wir aufbrechen«, erinnerte sie Martuch,
»gibt es noch vieles, was Ihr über den Weg wissen
müsst, über Dinge, die wichtig sind, wenn wir eintreffen. Delecordia ist ein Planet, der irgendwie ein
Gleichgewicht zwischen dem ersten und dem zweiten Reich der Wirklichkeit erreichte. Es gibt viele
Theorien und Spekulationen großer Geister über die
Ipiliac, aber niemand weiß wie, warum und wann es
geschah. Und wir kennen auch keinen anderen Ort
wie diesen.«
»Der Gang ist groß genug«, sagte Nakor grinsend.
»Ihr werdet sicher eines Tages einen anderen finden,
das wette ich.«
Pug wusste es besser, als gegen Nakor zu wetten.
»Die Leute, die Ihr hier seht«, fuhr Martuch fort,
»sind Abkömmlinge von Flüchtlingen. Vor Zeitaltern, als die Ahnen des derzeitigen TeKarana unter
den Dasati aufstiegen, gab es einen weltweiten
Krieg, und jene, die sich ihrer Herrschaft widersetzten, flohen
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