Feist Raymond E. - Krondor Saga 01
alles begonnen hatte. Die Flammen breiteten
sich von unten nach oben aus, verzehrten das Holz
und brachten Decken und Wände zum Einsturz.
Mein Onkel hat immer gesagt, dass er alles reparieren wollte und eines Tages zurück in den Burgfried
ziehen würde, aber bisher deutet nicht sehr viel
darauf hin, dass er das wirklich tun wird.«
Sie ritten die Hauptstraße entlang, eine breite
Durchgangsstraße, die auf einem großen Platz
endete, der von einem Springbrunnen beherrscht
wurde; drei Straßen liefen in ungewöhnlichen
Winkeln auf den Platz zu. »Es ist das Haus da
vorn«, sagte Owyn und lenkte sein Pferd um
den Springbrunnen herum. Der nachmittägliche
Markt war in vollem Gange, und die Käufer und
Verkäufer beachteten die drei Reiter nicht weiter,
abgesehen von ein oder zwei Leuten, die Gorath
neugierige Blicke zuwarfen.
Sie erreichten die Vorderseite des Hauses, und
ein Stalljunge rannte auf sie zu. »Meister Owyn! Es
ist Jahre her, seit ich Euch das letzte Mal gesehen
habe!«
Owyn lächelte. »Hallo, Tad. Bist du jetzt für die
Pferde verantwortlich?«
Der Junge, der kaum älter als zwölf oder dreizehn Jahre sein konnte, nickte. »Ja, Herr. Da wir
nicht genügend Ställe haben, bringt der Baron die
Pferde seiner Gäste droben bei der Schenke unter.«
Er deutete auf ein Haus, das genau gegenüber lag.
Ein hölzernes Schild mit dem Kopf einer Ente hing
davor. »Ich werde dafür sorgen, dass dort Zimmer
für Euch hergerichtet werden.«
Owyn lächelte. »Willst du damit sagen, dass
mein Onkel nicht glücklich darüber wäre, mich zu
sehen und mir ein Zimmer anzubieten?«
Der Junge nickte. »Er ist in letzter Zeit grundsätzlich alles andere als glücklich, wenn er jemanden sehen muss, Meister Owyn. Wenn Ihr allein
wärt, würde er Euch vielleicht sogar ein Zimmer
anbieten, aber mit Euren Freunden …« Er lächelte
entschuldigend und verstummte.
Owyn schickte ihn mit den Pferden davon – und
mit der Anweisung, nur ein einziges, dafür aber
großes Zimmer für die Nacht zu besorgen.
Sie betraten die Stufen, die zu dem großen Haus
hinaufführten. James blickte sich um. »Dieses
Haus stellt alle übrigen Gebäude des Dorfes in
den Schatten.«
Owyn musste bei der Bemerkung, die eine glatte
Untertreibung war, lächeln. Die übrigen Gebäude
des Dorfes waren einfache Hütten aus Flechtwerk
und Lehm und einem Strohdach, allerhöchstens
zweistöckige Häuser mit kleinen Gärten. Lediglich
die Schenken konnten noch mit dem Wohnhaus
des Barons mithalten.
»Das Haus war einmal eine Schenke, fiel jedoch
harten Zeiten zum Opfer. Mein Onkel hat sie
gekauft und für seine eigenen Bedürfnisse umgestaltet. Es gibt zwar hinten einen Stall, aber der
wird von seiner Leibwache benutzt.« Owyn senkte
die Stimme. »Wie bei vielen anderen geringeren
Adligen entsprechen seine Finanzen nicht seinem
Rang. Die Pachteinnahmen sind bescheiden, doch
die Steuern, die er dem Herzog von Cheam schuldet, sind beachtlich, und mein Onkel war niemals
das, was man einen Mann mit Unternehmergeist
nennen würde.«
Sie klopften an die Tür, die sich daraufhin einen kleinen Spalt öffnete. Eine Dienerin mittleren
Alters blinzelte vorsichtig nach draußen, und als
sie Gorath in seiner Rüstung vor sich stehen sah,
weiteten sich ihre Augen vor Schreck, und sie wurde bleich. »Hallo, Miri«, sagte Owyn und trat in
ihr Blickfeld. »Es ist alles in Ordnung. Die beiden
gehören zu mir.«
»Meister Owyn«, sagte die Frau und schwang die
Tür weit auf.
»Könntest du bitte Onkel Corvallis benachrichtigen, dass wir hier sind?«
Die Frau nickte und eilte davon. Ein paar
Minuten später tauchte ein großer Mann in Samtmantel und spitzenbesetztem Hemd auf; er hatte
viel zu viele Ringe an den Fingern. »Niemand hat
uns mitgeteilt, dass du kommen wolltest, Neffe«,
sagte er mit kühler Stimme. Er warf einen missbilligenden Blick auf James und Gorath.
»Das geht schon in Ordnung, Onkel. Wir kommen unangemeldet. In der Schenke am Platz wird
außerdem bereits ein Zimmer für uns hergerichtet. Ich möchte dir James vorstellen, Junker am
Hof von Prinz Arutha, sowie unseren Kameraden
Gorath. James, Gorath, das ist mein Onkel, Baron
Corvallis von Cavell.«
Bei der Erwähnung des Prinzen von Krondor
hellten sich die Züge des Barons ein wenig auf. Er
nickte James zu und meinte: »Junker.« Dann blickte er Gorath an, als wüsste er nicht, was er mit ihm
machen sollte. »Willkommen, Elbenherr«, sagte er
dann.
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