Feist Raymond E. - Krondor Saga 01
auch schon gegen Adlige in Krondor
und Groß-Kesh gespielt!« In ihrer Stimme schwang
ein nicht unerheblicher Stolz mit.
»Nun«, meinte James. »Vielleicht können wir ihn
ja einmal kennen lernen.«
»Kommt am Sechstag zum Essen, und ihr werdet Gelegenheit dazu haben«, sagte sie. »Er ist
Ende der Woche mit mir verabredet.«
Mit einem Lachen und einer halben Drehung,
bei der ihr das Kleid um die Beine wirbelte, wandte sie sich um und begab sich halb hüpfend, halb
gehend zur Tür. Sie blickte sich noch einmal um,
lächelte Owyn zu und verschwand.
»Die Frauen eures Volkes sind … sehr interessant«, meinte Gorath.
James lachte. »Sie ist noch jung. Sie bemüht sich
ein bisschen zu sehr, lebhaft zu wirken.« Doch er
schüttelte anerkennend den Kopf. »Lass ihr nur
ein paar Jahre Zeit, und sie wird sich nicht mehr
bemühen müssen. Sie ist zauberhaft.«
Owyn seufzte, während er sich zurücklehnte. »Sie ist die Einzige aus diesem Zweig meiner
Familie, die mir jemals etwas bedeutet hat.«
Peter der Graue kam mit dem Essen und deckte
den Tisch. »Ich habe meinen Cousin Neville niemals kennen gelernt. Ich war neun, als er gestorben ist, und bis dahin hatte ich ihn nur ein einziges
Mal gesehen«, fuhr Owyn fort.
Peter mischte sich ein. »Baron Corvallis Neville
war Euer Cousin? Ihr habt zwar gesagt, dass Ihr
den Baron aufsuchen wolltet, junger Herr, aber
nichts davon, dass Ihr sein Neffe seid.«
»Entschuldigung«, meinte Owyn. »Ich habe es
nicht absichtlich verschwiegen.«
»Ihr seid der junge Owyn«, erkannte Peter ihn
jetzt. »Aber Ihr erinnert Euch nicht an mich,
oder?«
»Tut mir leid, aber ich erinnere mich wirklich
nicht«, sagte Owyn.
»Ich war einer der Köche im Burgfried, damals,
vor dem tragischen Tag, als der junge Neville gestorben ist. Ihr wart damals erst sechs oder sieben
Jahre alt, und ich habe Euch nur ein-, zweimal gesehen, als Ihr zu Besuch gekommen seid. Ich habe
diese Schenke kurz danach gekauft, doch bis heute
seid Ihr niemals hier gewesen. Der alte Baron …
nun, die Sache hat ihn sehr verändert. Er ist seither
ein anderer Mann geworden, aber seine Frau hat
es umgebracht.«
»Ich erinnere mich nicht sehr gut daran«, gestand Owyn.
Peter benötigte keine weitere Aufforderung, um
ein bisschen Klatsch und Tratsch zum Besten zu
geben. »Nun, es heißt, dass es Schwierigkeiten zwischen dem Baron und dem Baumeister gegeben
hätte, der angestellt worden war, um in den unteren Höhlen und Tunneln die Weinkeller anzulegen. Seltsamerweise hieß dieser Mann ebenfalls du
Sandau, genau wie Navon.«
James und Owyn wechselten einen bedeutungsvollen Blick.
Peter fuhr fort: »Nun, dieser Sandau war der
beste Steinmetz in der ganzen Gegend, aber er war
auch ein Trinker und Frauenheld; es hieß, dass er
mit verschiedenen Frauen vom Hof in Rillanon
eine Liebelei gehabt hätte, bevor er nach Norden
kam. Er hatte schon an anderen Teilen der Tunnel
und Höhlen unter dem Burgfried gearbeitet, und
gewöhnlich war der Baron auch sehr zufrieden
mit seiner Arbeit. Aber bei diesem Weinkeller
gab es aus irgendwelchen Gründen Probleme. Sie
haben sich gestritten, und der Baron war immerzu schlechter Laune. Dann kam dieser schwarze
Tag.«
»Der Tag, an dem Neville starb?«, fragte Owyn.
»Ja, aber auch Sandau ist bei diesem Unfall
gestorben. Diese Decke ist eingestürzt. Niemand
konnte sagen, wieso. Sämtliche Männer aus der
Gegend haben tagelang versucht, das Geröll beiseite zu schaffen, aber es war umsonst; Neville und
die Arbeiter im Raum waren tot.«
»Was hatte der Junge dort zu suchen gehabt?«,
fragte Gorath.
»Das weiß niemand. Er hat den Steinmetzen
immer gerne bei der Arbeit zugesehen, und sein
Vater hat nie etwas dagegen gehabt.« Peter zuckte
mit den Achseln. »Der Baron ist danach nie wieder
derselbe gewesen. Und die Baronin ist aus Trauer
gestorben, das schwöre ich. Sie hat monatelang um
den Verlust ihres Sohnes getrauert, und dann ist sie
krank geworden. Nicht einmal die Priester aus den
Tempeln konnten sie am Leben erhalten. Knapp
ein Jahr nach dem Unfall ist sie gestorben. Dabei
war sie früher einmal eine Frau von ungewöhnlicher Stärke. Ugyne ist genau wie sie;ich nehme an,
das ist der einzige Grund, weshalb das Mädchen
nicht verrückt geworden ist – in einem Jahr nicht
nur den Bruder, sondern auch noch die Mutter zu
verlieren!« Peter schüttelte mitfühlend den Kopf,
als er sich daran erinnerte, wie es damals für das
kleine
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