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Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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so.
    Villainous verstand die Welt nicht mehr. Er hatte oft zugehört, wenn seine Mutter und etliche Stammgäste des Goldenen Fernrohrs von den guten alten Zeiten der Strandräuberei schwärmten, als sie unter der Führung seines Vaters fette Beute gemacht hatten. Jetzt war die Sturmwolke wieder da. Vor aller Augen lag sie im Hafen vor Anker, und eigentlich hätte man erwarten sollen, dass alle in gewohnter Weise ans Werk gehen würden, um die frühere Herrlichkeit wiederaufleben zu lassen. Aber unerklärlicherweise geschah das nicht. Dabei fehlte es nicht an einer guten Gelegenheit: Die Lady Georgia sollte bald in den Hafen von Wellow einlaufen, ein Postschiff, das, wie man aus sicherer Quelle wusste, eine Menge Goldbarren geladen hatte. Und es war immer noch keine Möglichkeit in Sicht, sie auf die Klippen zu locken.
    Der unerwartete Besuch, der ihnen ins Haus geschneit war, trug nicht gerade dazu bei, Mrs Usages Laune zu heben. Jasper Cutgrass legte gerade eine kurze Pause ein, bevor er mit seiner fruchtlosen Befragung fortfuhr. Er legte immer erst eine Pause ein, bevor er zu reden anfing.
    »Was«, sagte er, »die Sturmwolke ist in Wellow und die Mitglieder der traditionsreichen Familie Usage dürfen keinen Fuß auf ihre Planken setzen? Das kann ich wirklich kaum glauben.«
    »Nicht nur Sie«, knurrte Mrs Usage. Seine Frage war wie Salz in ihrer Wunde.
    Jasper seufzte, trat an das schmutzige Fensterchen und sah in Gedanken versunken hinaus. Villainous musterte den Besucher. Er hatte eine sonderbar geformte Segeltuchtasche dabei, irgendeine Art Futteral oder Instrumentenköfferchen, das er an einem Riemen über der Schulter trug. Der junge Mann war ein guter Menschenbeobachter. Er hatte oft Gelegenheit, sich in dieser Kunst zu üben, denn in Gegenwart seiner Mutter durfte er nur reden, wenn er gefragt wurde. Jasper legte öfter eine Hand auf das Köfferchen und ließ sie dort ruhen, als müsste er sich ständig vergewissern, dass es noch da war, als enthielte es etwas sehr Kostbares, das auf gar keinen Fall verloren gehen durfte.
    Er kam wieder auf den eigentlichen Grund seines Besuchs zurück. »Dieses, äh, dieses Gerät , das Ihr Mann seinerzeit anfertigen ließ …«, sagte er.
    Aber Mrs Usage ließ ihn nicht ausreden – ihre Geduld war endgültig erschöpft. »Wenn wir es noch hätten, dann hätte ich was Besseres zu tun, als hier rumzusitzen und mit Ihnen zu quatschen, dann müsste ich die Beute doch bloß noch einsammeln«, fauchte sie.
    Jasper entschied sich, die Bemerkung als Ausdruck des grimmigen Humors zu interpretieren, für den die Leute der Gentry berühmt waren. Er lachte verhalten.
    Mrs Usage wuchtete sich aus ihrem Sessel hoch, trat schwerfällig auf ihren ungebetenen Gast zu und sah ihm aus nächster Nähe starr in die Augen. »Was immer Sie vorhaben«, zischte sie geifernd, » ich werde Ihnen ganz bestimmt nicht dabei helfen. Und jetzt raus hier!«
    Jasper überlief es kalt. Allein ihr Atem hätte genügt, ihn in Schrecken zu versetzen. Er hatte schon vorher gewusst, dass es nicht sehr aussichtsreich war, die Usages zu fragen. Jetzt sah er ein, dass es Zeit war, den Rückzug anzutreten.

ZWEITES BUCH
Winter



Elftes Kapitel
    J
  eder Mensch braucht das Gefühl, irgendwohin zu gehören. Darum war es nicht besonders überraschend, dass Felicity sich immer mehr bei Henry daheim fühlte, je weniger wohl ihr in ihrem eigenen Zuhause zumute war. Und weil die Freundschaft der beiden der Großmutter ein Dorn im Auge war, hielten Felicity und Henry erst recht wie Pech und Schwefel zusammen.
    Die Sturmwolke ankerte immer noch in der Wellower Bucht, ein dunkles, Unheil verkündendes Wesen, das vor dem abgelegenen Städtchen zu lauern schien. Aber Henry sah keinen Grund, von seiner lebenslangen Überzeugung abzurücken, dass es für alles eine vernünftige Erklärung gebe, und bemühte sich nach Kräften, seine Freundin von ihren düsteren Gedanken abzulenken. Das war nicht immer leicht.
    »Kein Mensch geht im Winter segeln, Felicity. Es ist viel zu kalt«, murrte er, während sie die Ehrliche Armut den Kieselstrand hinunterschoben.
    »Es ist wunderschönes Wetter heute«, sagte sie.
    Henry seufzte und gab nach. Sie hatten diese Diskussion nun schon so oft geführt und nie hatte er gewonnen. Allerdings musste er zugeben, dass das Wetter tatsächlich wunderschön war. Die Luft war klar und kalt, der Himmel eisig blau und die tief stehende Sonne schien blendend hell.
    » Ich mach mir die Füße nicht

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