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Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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einen Foxtrott zu tanzen.
    Dieser letzte wirre Gedanke löste etwas in mir aus, vor allem das Wort realistisch . Ja, es lag außerhalb des realistisch Möglichen, dass Kurt jemals an die Rakete herankommen würde. Viel realistischer würde sich das Vorhaben allerdings gestalten, wenn ich es in dem ganzen Tohuwabohu versuchen würde. Sowohl Mensch als auch Tier waren ja durch seinen spektakulären Auftritt einstweilen abgelenkt.
    Für kritische Abwägungen blieb keine Zeit mehr, denn ich sah jetzt voller Entsetzen, dass die Greifer des Krans sich allmählich lockerten und die Position der Rakete sich dadurch ganz langsam von der Diagonalen in die Senkrechte verlagerte. Jede weitere Sekunde, die ich mit Nachdenken vergeudete, würde ein Eingreifen in der Tat immer unrealistischer machen. Also gab ich mir selbst einen Tritt in den Hintern und rannte ebenfalls in einem Affentempo die Rampe hinunter. Dabei wurde ich allerdings emotional weniger von der unten auf mich wartenden Gefahr in Anspruch genommen als vielmehr von dem Gedanken an die Sinnlosigkeit meines Tuns. So allmählich ging mir nämlich auf, dass sowohl Kurt als auch ich mit unserer Weltrettungsaktion am Ende gar nichts bewirken konnten. Denn was brachte es, wenn einer von uns trotz allen Widerstandes die Bombe tatsächlich entschärfte? Gar nichts! Danach würde man uns beiden einfach das Lebenslicht ausblasen und das Ding wieder scharfmachen. Es war zum Haareausraufen!
    Ich erreichte das Ende der Rampe und hechtete mit einem Riesensatz auf den Boden. Zumindest hatte ich in einem Punkt recht behalten. Sämtliche Jäger, Kläffer wie Soldaten,
beachteten mich nicht, weil sie vollauf mit Kurt beschäftigt waren. Leider … Ich wurde Zeuge einer Tragödie der grausigsten Art. Letzten Endes wurde das tapfere Knickohr doch von einer Kugel getroffen. Am hinteren rechten Bein, aus dem ein Blutschwall und Knochensplitter hervorflogen. Trotzdem knickte er nur für einen Moment ein, um im nächsten mit noch gewaltigerer Wucht weiterzupreschen. Ihm schien nun alles gleichgültig zu sein. Da erwischte ihn die nächste Kugel. Diesmal am Bauch. Er steckte sie weg, wie er die erste weggesteckt hatte, und lief weiter. Aber da erwarteten ihn schon seine Freunde .
    Sie fielen über ihn her wie ausgehungerte Kannibalen. Sie vergruben ihn förmlich unter sich und bissen sich geradezu in einen Rausch. Allein die aus vielen Kehlen steigenden schier obszönen Laute, die eine Mischung aus Knurren, Kreischen und Hecheln waren, hätten ausgereicht, einem den Verstand zu rauben. Jeder riss ein Stück aus Kurt heraus, und binnen Sekunden tropfte und sabberte es aus allen Mäulern Rote Bete in Fleischform.
    Ich verlor zum Glück nicht den Verstand, sondern bloß endgültig den Glauben an Solidarität unter der jeweiligen Art. Schnell wandte ich den Kopf von dem bestialischen Schauspiel zu der Rollleiter, welche inzwischen circa zwei Meter weit von der Rakete entfernt worden war. Die Distanz zu überspringen traute ich mir noch zu, wenn mich die ollen Sprunggelenke nicht im Stich lassen sollten. Ohne länger zu überlegen, wetzte ich zur Leiter und spurtete unter den verblüfften Blicken der Overall-Männer die Sprossen hoch. Oben am Stehpodest angelangt, war ich der Verblüffte. Die Greifer des Krans lösten sich gerade von der
schneeweißen Rakete, die sozusagen kopfüber in Richtung des Morfs rutschte. Jeden Augenblick würde sie geradewegs hineinstürzen.
    Unversehens sprang mir an der Rakete ein interessantes Detail ins Auge. Gleich neben dem kirmesreif blinkenden Programmierboard befand sich ein ovaler Deckel mit einer Reihe oben abstehender Lüftungslamellen. Wenn ich es schaffte, genau auf dieser Stelle zu landen, konnte ich mich mit den Krallen an den Lamellen wie an Haken festhalten, ohne gleich wieder von dem Ding abzurutschen. Trotz der Ausweglosigkeit des Unternehmens war ich inzwischen besessen von der Idee, den Zeitzündermechanismus lahmzulegen. Mochte sein, dass es vielleicht damit zusammenhing, wie grausam und gleichzeitig schäbig Kurt umgekommen war. Ich war es ihm einfach schuldig, seinen letzten Willen zu vollstrecken, gleichgültig ob es mich zerfetzen würde oder nicht.
    Ich tat mit der ganzen Kraft, die in meinen Gliedern steckte, einen gigantischen Satz auf die Rakete, landete punktgenau auf dem Deckel mit den Lüftungslamellen und krallte mich daran fest. Ungefähr acht Meter unter mir brodelte der Morf in den schrillsten Rottönen wie das Auge eines Drachen.

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