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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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Honorar im Verhältnis von dreißig zu siebzig zu teilen, was er bereitwillig angenommen hatte. Eingedenk der Geschichten, die ich gehört hatte, verlangte ich Bares im Voraus, und er gab mir das Geld unter der grün-gelben Unterführung am Queen-Mary-Ende der Mile End Road. Dann entfernten wir uns in entgegengesetzter Richtung, und ehe ich hundert Meter weit gekommen war, wurde ich von zwei Typen, die von hinten kamen, niedergeschlagen und ausgeraubt. Sie hatten vielleicht gar nichts mit McClennan zu tun, aber es sah verdammt so aus, als hätte er die vorherige Abmachung unaufgefordert widerrufen. Auf jeden Fall war es das letzte Mal, dass ich mit ihm zusammengearbeitet hatte.
    »Warte hier«, sagte ich zu Pen. »Mit verriegelten Türen. Lass den Zündschlüssel stecken und fahr sofort los, wenn jemand kommt.«
    »Außer dir, meinst du?«
    Ich nickte ernsthaft. »Du hast’s erfasst«, sagte ich. »Das liebe ich bei einer Frau.«
    »Felix, ich glaube, nach heute Nacht weiß ich mehr darüber, was du bei Frauen magst, als ich jemals wissen wollte.«
    Ich ließ das so stehen. Jede Erwiderung wäre nur noch peinlicher gewesen.
    »Was wirst du tun, wenn er nicht da ist?«, fragte sie.
    Statt einer Antwort zeigte ich ihr das abgenutzte schwarze Samtfutteral mit meinen Dietrichen. Sie schüttelte mit einem Ausdruck müder Missbilligung den Kopf, sagte aber nichts. Sie wusste alles über Tom Wilke und wie ich meine unentschuldbaren Fähigkeiten erworben hatte. Sie missbilligte es zutiefst, aber in diesem Moment konnte ich erkennen, dass es angesichts der anderen Scheiße, die im Gange war, zur Bedeutungslosigkeit verblasste.
    Ich stieg aus und überquerte die Straße. Drei Klingelknöpfe, die in etwa mit den drei Schildern korrespondierten, befanden sich links neben der Tür. Ich drückte auf den Knopf, an dem McCLENNAN stand. Niemand reagierte. Ich drückte erneut und sah mich beiläufig um, als wartete ich.
    Auf der Greek Street herrscht bis nach Mitternacht Betrieb, aber das Nachtleben hatte sich längst verzogen und die Lichter waren gelöscht. Bis zur Morgendämmerung waren es nur noch zwei Stunden.
    Ein paar Augenblicke später hörte ich Schritte im Haus, begleitet vom misstönenden Knarren heftig verzogener Bodenbretter. Jemand schob einen Riegel zurück, dann einen zweiten, dann drehte sich ein Schlüssel, und die Tür öffnete sich einen Spalt. McClennan, in Hemdsärmeln und mit Bartstoppeln im Gesicht, stand dahinter.
    Er starrte mich für ein paar Sekunden völlig fassungslos an. Es war klar, dass ich die letzte Person war, die er um vier Uhr morgens vor seiner Tür erwartet hatte. Tatsächlich war er mehr als fassungslos, eher schon verwirrt und genervt.
    »Castor«, murmelte er. »Was soll das?«
    »Ich wollte Sie wegen eines Auftrags sprechen, an dem ich arbeite.«
    »Mitten in der Nacht?«
    »Nun, da Sie noch auf sind …«
    Er rieb sich die Augen mit dem Handballen.
    »Castor«, sagte er nochmals. Er lachte und schüttelte den Kopf, als könnte er es nicht glauben. »Was soll’s! Kommen Sie herein!«
    McClennan machte kehrt und ging ins Haus, und ich folgte ihm. Das Licht im zweiten Stock hatte nichts mit Gabe zu tun. Die Tür, die er öffnete, befand sich im Parterre direkt neben der Treppe und einem türlosen Schrank voller Stromzähler und halb kahlen Wischmopps, die schief an der Wand lehnten.
    Trotz der schäbigen Fassade und der zweifelhaften Lage war Gabes Büro um einiges besser als meins. Beherrscht wurde es von einem riesengroßen antiken Schreibtisch mit Klauenfüßen, der groß genug war, um den Raum in zwei Hälften zu teilen. Sein Aktenschrank hatte vier Schubladen, tiefrotes Kirschholzfurnier, und eine Vase mit Chrysanthemen stand darauf. An der Wand hing sogar ein Diplom, obgleich nur Gott wusste, wofür das gut sein sollte. Wahrscheinlich war es sein Freischwimmer.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte er, während er um den Schreibtisch herumging. Es waren nicht nur die Bartstoppeln, er sah auch sonst ziemlich mitgenommen aus. Die Tränensäcke unter seinen Augen waren so dunkel, dass es wirkte, als hätte ihm jemand zwei Veilchen verpasst, als er gerade die Deckung unten hatte, und wenn auf seinem Hemd die Karte des Lake Districts gewesen wäre, hätten die Schweißflecken unter seinen Armen Windermere und Coniston Water sein können. Es war ein bizarrer Anblick. McClennan hatte ein Adlergesicht, eine hagere Statur und welliges schneeweißes Haar, das er mit Absicht in einem Stil

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