Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
geschieht dann?«
»Mondaufgang – außer dass morgen kein Mond am Himmel steht. Es ist der günstigste Zeitpunkt.«
»Ich möchte morgen dabei sein. Als Verstärkung, falls etwas schiefgeht.«
Juliet war sichtlich verblüfft. »Was könntest du tun, um zu helfen, falls etwas schiefgeht?«
»Vielleicht nichts«, sagte ich. »Aber diese Party im Einkaufszentrum hat mir einen vagen Eindruck von diesem Ding verschafft. Vielleicht könnte ich es in deinem Sinn beeinflussen.« Ich zog die Tin Whistle halb aus der Manteltasche und ließ sie wieder zurückrutschen.
Juliets Augen verengten sich ein wenig, was ich durchaus verstehen konnte. Die Flöte zu zeigen, war in etwa das Gleiche, wie Superman ein Kryptonit-Sandwich anzubieten. Aber ihr Tonfall blieb völlig cool, wenn nicht sogar ein wenig gelangweilt. »Du weißt, wo ich bin«, sagte sie. »Und wann. Wenn du hinkommen und es dir ansehen willst, bist du herzlich eingeladen. Aber lass die Flöte zu Hause. Oder wenn du sie mitbringst, lass sie in der Tasche stecken. Du bist bei Weitem nicht so treffsicher, wie du glaubst.«
Es war schwierig für mich, dem zu widersprechen, während mir Rafi durch den Kopf ging. Das war ganz sicher eine Demonstration, wie gefährlich sogenannter Eigenbeschuss sein konnte. Ich wusste, dass ich jetzt besser war als damals, aber ich konnte auch begreifen, weshalb Juliet von meiner Idee nicht angetan war.
Ich stand auf und legte die Zeche auf den Tisch.
»Das geht auf meine Rechnung«, sagte ich. »Ich habe ein wenig Geld gekriegt.«
»Mackie«, zitierte Juliet, »welches war dein Preis?«
»Lustig. Ich hab doch immer gewusst, dass in der Hölle Bobby Darin gespielt wird.«
»Kurt Weill«, korrigierte Juliet.
»Sag bloß«, sagte ich mit todernster Miene.
Der Kellner war sichtlich getroffen, als er uns gehen sah. Falls Juliet jemals ihre Essgewohnheiten aufgeben sollte, würde sie hier immer bestens bedient werden.
Wir verabschiedeten uns auf der Straße voneinander, ohne viele Worte zu wechseln, und Juliet entfernte sich mit ihrem üblichen raumgreifenden Schritt, ohne sich noch einmal umzudrehen. Der Anblick der Flöte hatte ihr offenbar die Laune verdorben. Wahrscheinlich weil er sie daran erinnerte, dass ich am ehesten dem entsprach, was die menschliche Rasse als Antikörper gegen Vertreter ihrer Art aufbieten konnte. Ich sollte bei nächster Gelegenheit daran denken und ein wenig taktvoller sein.
Ich war total kaputt, aber Nicky hatte gemeint, er habe wichtige Neuigkeiten für mich, und ich hatte eingewilligt, mich mit ihm im Ice-Maker-Etablissement südlich des Flusses zu treffen. Das war eine ziemlich weite Strecke, aber wenigstens wären jetzt die Straßen frei. Ich dachte daran, Mattys Wagen dort stehen zu lassen, wo er gerade stand, und die U-Bahn zu nehmen – da ich mich nicht mehr damit entschuldigen konnte, bei mir läge ein Notfall vor –, aber das hieße, irgendwie hierher zurückzukehren, wahrscheinlich erst nach Mitternacht, und dann den weiten Weg nach Osten zu fahren. Und das war keine besonders verlockende Aussicht.
Also fuhr ich nach Süden durch die Wood Lane und wollte dann durch Hammersmith und Fulham und den Fluss in Battersea überqueren. Aber in meiner derzeitigen Stimmung und über die verschiedenen Dinge nachgrübelnd, die ich gar nicht oder nur unvollständig erledigt hatte, dauerte es nicht lange, bis sich in meinem Kopf der große, verschlungene Kreis schloss und ich zu den Torringtons und zu Dennis Peace zurückkehrte. Ich hatte ihn auf der
Collective
fast erwischt, dachte ich verärgert – aber das war nur eine beschönigende Beschreibung dessen, was wirklich passiert war. Es wäre ehrlicher gewesen zu sagen, dass er beinahe mich erwischt hatte. Ich konnte ganz sicher von Glück reden, dass ich seinem Kamikaze-Angriff aus der Luft um Haaresbreite entgangen war. Und dann waren Itchy und Scratchy aufgetaucht, und das Ganze hatte sich zu einem völlig anderen Spiel entwickelt – und plötzlich sollte es Peace an den Kragen gehen, zumindest schien es so. Warum? Was hatte er, das diese abtrünnigen Religionsfanatiker so dringend haben wollten, dass sie Werwölfe anheuerten, um es zu suchen und ihm abzunehmen? Das Einzige, von dem ich wusste, dass er es mit Sicherheit hatte, war Abbies Geist. Und das war ganz gewiss nicht das Gesuchte.
Nein, ich tappte immer noch völlig im Dunkeln, sosehr es mich schmerzte, das einzugestehen. Okay, ich hatte Rosie Crucis als Ass in der Hinterhand, aber
Weitere Kostenlose Bücher