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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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– wanderte das Pochen als vielfältiges Echo durch die verräterische Leere des Gebäudes.
    Nach ein paar Sekunden wurde die Tür von einem mageren farbigen Mädchen von etwa sechzehn Jahren geöffnet, dessen Augen jedes für sich größer waren als das ganze Gesicht. Dass ich ein Mädchen vor mir hatte, erkannte ich lediglich an den Zöpfen. Das harte, ausgemergelte Gesicht entsprach der Einheitsnorm, und die schwarzen Jeans und das mangabedruckte T-Shirt waren geschlechtsneutral.
    »Ja?«, fragte sie.
    »Bin ein Freund von Nicky«, sagte ich.
    Sie musterte mich stirnrunzelnd mit einem Ausdruck trotzigen Misstrauens. »Haben Sie ’nen Puls?«
    Ich prüfte es. »Habe ich, aber er ist sehr langsam. Ist das ein Hindernis?«
    Sie drehte den Kopf und schaute hinter sich in die Wohnung. »Mum«, rief sie. »Hier ist ein Lebendiger!«
    »Polizei?«, antwortete eine viel tiefere Stimme von irgendwo. »Wenn er von der Polizei ist, Lisa, dann sag ihm, er soll sich ins Knie ficken, denn ich hab’ schon bezahlt.«
    Das Püppchen drehte sich wieder zu mir um. »Mum sagt, wenn Sie von der Polizei sind, sollen Sie …«
    »Ja«, unterbrach ich sie. »Ich hab’s verstanden. Ich bin nicht von der Polizei. Ich heiße Castor. Wenn Nicky Heath da drin ist, bestell ihm, ich bin gekommen, um ihn abzuholen und nach Hause zu bringen.«
    Lisa gab das über die Schulter weiter und behielt mich die ganze Zeit im Auge für den Fall, dass ich irgendetwas stehlen wollte. Das hätte höchstens die Tür oder eine der Wände sein können, denn es gab nichts anderes auf dem Treppenabsatz, noch nicht einmal Teppichboden, um die verbogenen Fußbodenbretter zuzudecken. »Er sagt, er sei Castor und wolle Nicky nach Hause fahren.«
    »Oh, Castor.« In der Stimme lag gereizte Missbilligung, und ich wusste genau, weshalb. »Okay, bring ihn in ins Besuchszimmer, Lisa. Dort kann er warten, bis ich hier fertig bin.«
    Indem sie mit den Augen rollte, um zu signalisieren, was sie von diesen Anweisungen hielt, riss Lisa die Tür auf. Mich ins Besuchszimmer zu bringen bestand darin, dass sie auf eine Tür links in der schmalen Diele deutete und sich selbst in die entgegengesetzte Richtung entfernte. Am Ende des Flurs befand sich eine Tür, durch die ich Imeldas Rücken sehen konnte, während sie ihren aktuellen Patienten behandelte. Sie sang leise vor sich hin, höchstwahrscheinlich ein Gospellied, aber sie sang sehr leise, und aus dieser Entfernung konnte ich weder den Text noch die Melodie erkennen.
    Ich war schon mal dort, vor etwa zwei Jahren, daher wusste ich, was lief. Ich wusste auch, dass Imelda mich nicht besonders mochte. Exorzisten waren schlecht für ihr Geschäft. Mich ins Besuchszimmer zu schicken und warten zu lassen, war genau kalkulierter Sadismus, aber es gab nicht viel, was ich dagegen tun konnte, daher atmete ich tief durch, hielt die Luft an und ging hinein.
    Madame Ice-Maker war im Grunde nichts anderes als eine Wunderheilerin mit einer ganz speziellen Klientel. Eine Klientel, die kein Arzt, ganz gleich ob alternativ oder nullachtfuffzehn, von ihr abwerben würde. Sie behandelte ausschließlich Zombies, und sie behauptete, durch Handauflegen den Prozess der Verwesung nahezu zum Stillstand zu bringen. Ich habe das immer für totalen Quatsch gehalten, aber Nicky ging konsequent zweimal im Monat dorthin – und er war nun schon eine ganze Weile tot, daher respektierte ich sein Urteil in Sachen physischer Verfall. Ihr Spitzname – Ice-Maker – entsprang ihrer Prahlerei, dass ihre Hände so gut wie eine Tiefkühltruhe seien, wenn es darum ging, totes Fleisch frisch zu halten.
    Ich muss jedoch sagen, dass der säuerlich-süße Geruch im Wartezimmer eindeutig von Fäulnis und Verwesung kündete. Wie ich schon erwähnte, dies war nicht mein erster Besuch, daher wusste ich, was ich zu erwarten hatte, aber es traf mich immer noch wie eine massive Mauer und ließ mich beinahe in die Knie gehen. Ich ging ganz hinein, und sechs oder sieben wandelnde Tote schauten hoch, um den Neuankömmling zu taxieren. Eigentlich waren es ja sitzende Tote, da der Raum eingerichtet war wie das Wartezimmer eines Arztes mit Stühlen vor drei Wänden und die meisten Stühle besetzt waren. Es gab sogar einen Tisch mit Illustrierten. In einer Ecke saß eine kreidebleiche Frau mit einem kleinen Loch im Fleisch ihrer Wange und blätterte in einem alten
Cosmo
-Magazin.
    Zombies atmen nicht, daher kam ein scharfes Luftholen nicht in Frage. Und es gab auch kein Piano, das

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