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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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um.
    »Pythagoras soll eine kluge Bemerkung über Hebel gemacht haben«, murmelte er. »Über Hebel und darüber, dass man damit die Welt aus den Angeln heben kann. Ich war davon nie richtig überzeugt – das Ganze klingt für mich zu nachaufklärerisch. Aber ich bin sicher, Sie wissen, was ich meine.« Er musterte mich für einen Moment gespannt. Da ich nicht in der Stimmung war, für ihn den Stichwortgeber zu spielen, erwiderte ich stumm seinen Blick. »Nun«, fuhr Gwillam fort, »genau das ist dieses kleine tote Mädchen. Ein Hebel, der groß genug ist, um diese Welt zu bewegen. Eine beunruhigende Vorstellung, für mich zumindest. Weil die Welt ruhig dort bleiben kann, wo sie ist, wenn Sie mich fragen.«
    Das alles war für mich etwa genauso klar wie Themsewasser. Zeit für die nächste Granate, dachte ich.
    »Sprechen Sie nur für sich selbst?«, fragte ich ihn. »Oder für die katholische Kirche als Ganzes? Was, nebenbei bemerkt, um einiges katholischer klingen müsste, als das, was ich bisher gehört habe, wenn man betrachtet, wer Ihre Brötchen bezahlt.«
    Für einen Moment herrschte Stille, während Gwillam mich ziemlich perplex anstarrte. Dann nickte er, nicht in meine Richtung, sondern in Pos. Anschließend ließ mich eine Schmerzexplosion in meiner linken Körperhälfte in die Knie gehen und zusammenbrechen, wobei ich auch noch auf dem Weg nach unten gegen die Leitplanke prallte. Ein Nierenhaken, verabreicht mit wohldosierter Wucht, um grässliche Schmerzen zu erzeugen, jedoch einen Nierenriss zu vermeiden.
    Es dauerte lange, ehe ich an meiner Umgebung wieder Anteil nehmen konnte – eine halbe Minute vielleicht, aber ich bin da nicht sehr zuverlässig. Angesichts der Tatsache, dass ich die meiste Zeit damit verbrachte, einzuatmen, ohne einen Muskel in meiner linken Körperhälfte zu bewegen, kam es mir um einiges länger vor.
    »Sie wurden gewarnt«, sagte Gwillam mit hohler und ferner Stimme. »Aber nach dem zu urteilen, was Zucker und Po erzählt haben, hatte ich befürchtet, dass Sie die Warnung nicht ernst genug genommen haben.«
    Ich bekam noch immer nicht genug Luft, um antworten zu können – was vielleicht ganz gut war, weil die Worte, die mir als Erstes durch den Sinn gingen, wie »Fick dich« geklungen hätten. Als ich dort kniete, zusammengekrümmt und gegen meine Schmerzen ankämpfend, wurde mir etwas Kaltes und Hartes gegen den Nacken gepresst.
    »Wir meinen es ernst«, sagte Gwillam leise, aber mit präzisem, beinahe gestelztem Nachdruck. »Wir töten nicht so einfach, aber wir sind ermächtigt, es zu tun, wenn es sich als notwendig erweist. Sie zu töten erscheint mir in diesem Moment als das kleinere Übel.«
    »Und trotzdem …«, ächzte ich und krümmte mich, als die mühsam geformten Worte Muskeln beanspruchten, die noch nicht bereit waren, ihre gewohnte Arbeit wieder aufzunehmen, »… komme ich nicht umhin … festzustellen … dass ich noch lebe.«
    »Ja.«
    Der Druck auf meinen Nacken verschwand, und einen Moment später war das unverwechselbare Geräusch eines Sicherungshebels zu hören, der zurückgeklappt wurde und ein leises Knacken von sich gab, als er in der »Ein«-Position einrastete. Der Hurensohn hatte die Waffe gespannt gehabt. Wenn ich im falschen Moment geniest hätte, wäre mir wahrscheinlich der Schädel weggeblasen worden. Ich schaute hoch, drehte dabei den Kopf so wenig wie möglich, und sah, wie Gwillam die Pistole ins Schulterholster zurückschob. Er fing meinen Blick auf und schüttelte den Kopf.
    »Wir haben Sie in der Mall beobachtet«, sagte er. »Zu diesem Zeitpunkt war Sie zu töten Teil meines Tagwerks. Aber dann sah ich, wie Sie und die Frau – ist sie überhaupt eine Frau? – mit den Besessenen verfuhren und die Geiseln retteten. Ich gebe zu, dass ich das nicht erwartet hatte – und es verursachte mir ein wenig Unbehagen. Wissen Sie, wenn ich Zucker und Po auf Sie loslasse, möchte ich das lieber mit reinem Gewissen tun.«
    »Letzte Nacht waren sie offensichtlich nicht angeleint«, keuchte ich.
    »Zu diesem Zeitpunkt hatten sie den Befehl, Sie
nicht
zu töten. Sie zu jagen war ihnen nicht ausdrücklich verboten, Castor. Ich frage Sie noch einmal, und das wahrscheinlich ein letztes Mal, auf wessen Seite stehen Sie?«
    Wenn ich mich mit dieser Frage hätte ausgiebiger auseinandersetzen können, wäre mir wahrscheinlich eine schlauere, doppeldeutigere Antwort eingefallen. So jedoch zögerte ich keine Sekunde.
    »Auf Abbie Torringtons Seite.«
    Gwillam

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