Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
Vermittlerin benutzt haben.« Sie hatte die Namen aus dem Ordner vor ihr auf dem Tisch. Doch nun schob sie ihn ein Stück von sich und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Offensichtlich brauchte sie für den nächsten Akt keine Gedächtnisstützen.
»Natürlich«, sagte sie, »ist das alles nur von untergeordneter Bedeutung, auch wenn es dazu beiträgt, den Tatvorwurf zu untermauern. Der wesentliche Punkt ist, dass wir Ihre Fingerabdrücke auf der Tatwaffe und auf zahlreichen anderen Gegenständen in dem Raum gefunden haben. Auf einem Wasserkessel. Auf einigen Tassen. Auf einem leeren Flachmann. Für mich sieht es so aus, als hätten Sie ihn unter irgendeinem Vorwand aufgesucht, ihn betrunken gemacht und dann seinen willenlosen Zustand ausgenutzt und ihn getötet. Ist es so gelaufen, Castor? Haben Sie auf eine Gelegenheit zu einem Schuss in den Rücken gewartet, dann jedoch die Geduld verloren und ihn auf halbwegs anständige Art und Weise – nämlich von vorn – ins Jenseits geschickt?«
Es verstand sich von selbst, dass ich diese Frage nicht beantworten konnte. Ich hatte mich schon früher in der gleichen Situation befunden – wenn auch nicht unter einer Mordanklage, wie ich zugeben muss –, und ich wusste, wie das Spiel lief. Basquiat wollte mich zu irgendeiner Reaktion animieren, und je mehr sie mich in die Enge treiben konnte, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass ich irgendetwas Dummes von mir gab, womit ich mich selbst belastete. Aber meine grundlegende Taktik, auf Nummer sicher zu gehen und gar nichts zu sagen, ließ sich aus einem ganz einfachen Grund nicht aufrechterhalten: Die Zeit arbeitete gegen mich. Ich musste erreichen, dass Basquiat mir glaubte oder mich zumindest ernst nahm. Ich konnte mir den Luxus, sie im Dunkeln tappen zu lassen, nicht leisten.
»Nein«, sagte ich. »So ist es nicht gelaufen. Basquiat, wie passt Ihre Version zu den Treffern, die ich abbekommen habe? Jemand hat mich von hinten angegriffen und geschlagen, richtig? Während ich Peace in die Brust schoss? Von vorn? Was stimmt nicht an diesem Bild?«
Basquiat schaute mich kurz an, als hätte sie erst in diesem Moment die Blutergüsse in meinem Gesicht bemerkt. Sie zuckte die Achseln. »Nichts, soweit ich sehen kann«, meinte sie kühl. »Ich habe nicht behauptet, dass Sie Peace beim ersten Versuch erwischt haben. Ich nehme an, Sie haben miteinander gekämpft, sich gegenseitig übel zugerichtet, und dann haben Sie ihn erschossen. Er war ein großer Mann. Er kann Ihnen durchaus zu den Blessuren verholfen haben, die in Ihrem Gesicht zu sehen sind.«
»Untersuchen Sie sie«, bot ich ihr an und bemühte mich, meine Stimme von jeglichem Anflug von Dringlichkeit frei zu halten. Wenn ich anfing, an Abbie und an das zu denken, was einige Meilen entfernt vielleicht in diesem Moment im Gange war, konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen – und dann würde ich es niemals schaffen, mich aus dieser Zwangslage zu befreien. »Diese Spuren stammen nicht von einem Handgemenge. Ich wurde mit einem Pistolengriff bearbeitet.«
»Und?«
»Wer immer mich niedergeschlagen hat, war ebenfalls bewaffnet. Ich habe Peace nicht hinterrücks überfallen. Dort waren auch noch andere Leute. Ich wette, dass Sie außerhalb des Oriflamme entsprechende Spuren gefunden haben. Sie wissen, dass andere Leute dort waren.«
Basquiat lehnte sich zurück, drehte sekundenlang den Kugelschreiber mit dem Mittelfinger auf dem Tisch. Dann drückte sie die Mine heraus und notierte etwas in der Akte.
»Peaces Fingerabdrücke befanden sich ebenfalls auf der Waffe«, räumte Basquiat ein und legte den Kugelschreiber wieder aus der Hand. »Was das betrifft, glauben wir auch zu wissen, wo und wann er sie gekauft hat. Vor Kurzem erst, falls es Sie interessiert. Zur gleichen Zeit, als er die Tavor gekauft hat, mit der er in der Quäker-Versammlungshalle in Hendon um sich geschossen hat. Seit ich das letzte Mal Ihre hässliche Visage betrachten durfte, war ich nicht untätig. Ich habe an dem Fall gearbeitet, wie Sie sehen.
Mit welchem Ergebnis? Wir sind der Meinung, dass Sie beide bis zum Hals in der Sache drinsteckten, die in diesem Quäker-Haus im Gange war. Ob es ein Satanistenritual oder irgendeine Gaunerei war, interessiert mich nicht. Bei Ihrem – und seinem – Hintergrund könnte es durchaus beides gewesen sein. Aber es ist nicht gelaufen wie geplant, und am Ende gab es eine Menge Tote. Darunter auch Abbie Torrington, von der wir mittlerweile annehmen,
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