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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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sofort den Moment bestimmen, als ich mir die Frage »Kämpfen oder fliehen?« selbst beantwortet hatte. »Hinein«, wiederholte er. Der Mann hinter mir tippte mit dem Pistolenlauf gegen meinen Nacken, und ich folgte dem Mann, den Fanke Wilkes genannt hatte, zurück ins Oriflamme. Ich hatte vage gehofft, dass Peace vielleicht etwas von der Entwicklung draußen mitbekommen und so etwas wie einen improvisierten Hinterhalt vorbereitet hatte. Aber so viel Glück hatte ich nicht. Sein Kopf zuckte herum, als er die Schritte mehrerer Personen hörte. Während Wilkes neben mich trat und der Kerl mit der Pistole an meiner anderen Seite erschien, um den Raum überblicken zu können, sprang Peaces Blick erst zu dem einen der beiden, dann zu dem anderen, dann zurück zu mir. In einem Reflex, den er nicht steuern konnte, zuckte seine Hand hoch, um nach Abbies Hand zu greifen – und drang durch ihre körperlose Gestalt. Abbie bemerkte es nicht einmal. Sie starrte in stummem Erschrecken auf die fremden Gesichter. Aber vielleicht waren sie ihr ja gar nicht fremd. Möglicherweise erinnerten die Gesichter sie an einen Moment fünf Tage zuvor. Vielleicht erkannte sie auch in Fanke den Mann, der ihr ein Messer ins Herz gestoßen hatte.
    »Du Schwein, Castor«, sagte Peace in einem nahezu lautlosen Flüsterton. Was er sich danach überlegte, war besser. Er streckte die andere Hand aus und fächerte den Kartenstapel auf dem Boden auseinander. Abbie flackerte kurz und verschwand dann, noch während sie den Mund öffnete, um ihn zu rufen.
    »Machen Sie es nicht schlimmer, als es sein muss«, sagte ich, und ehe mich jemand aufhalten konnte, machte ich einige Schritte vorwärts.
    Meine Augen hatten nicht mehr Zeit als ihre gehabt, sich an die Dunkelheit im Oriflamme zu gewöhnen, aber ich wusste in etwa, wo Peaces Glock lag. Ich brauchte nicht einmal aus dem Tritt zu kommen. Ich musste den Fuß nur ein wenig nach links setzen, als wollte ich einen Pass im Strafraum abfangen, und mit der Schuhspitze auf den Schutzbügel am Abzugshebel treten.
    Ich katapultierte die Pistole in die Luft, und ich hatte gut gezielt. Zahllose langweilige Nachmittage in der alten Turnhalle der Alsop’s Comprehensive School for Boys, an denen ich nichts anderes gemacht hatte, als ständig einen Ball abwechselnd gegen die Wand zu kicken und zu köpfen, machten sich reichlich verspätet und völlig unerwartet bezahlt.
    Peace streckte die Hand aus, fing die Glock aus der Luft und schoss, ohne lange zu zielen. Begleitet von einem lauten Knall raste etwas dicht an meinem Ohr vorbei, und ein Körper wurde rechts neben mir gegen die Wand geschleudert. Während er auf den Boden rutschte, knallte es abermals ohrenbetäubend in diesem Raum ohne weiche und unterbrochene Flächen, die den Lärm schlucken oder wegfiltern können. Links von mir zuckte Fanke zusammen, wie von einem aggressiven Insekt gestochen, dann hob er seine eigene Pistole, um das Feuer zu erwidern. Ich schlug ihm die Waffe mit der Faust aus der Hand.
    Dann, als es so aussah, als liefe alles wie nach Wunsch, krachte etwas Hartes und Schweres und ekelhaft Kompaktes seitlich gegen meinen Kopf, und meine Beine knickten unter mir weg.
    Ich versuchte aufzustehen, musste jedoch einen zweiten Schlag gegen meinen Nacken einstecken, der mir jeden Kampfeswillen austrieb. Lauter Donner wurde von einem schrillen Schrei unterbrochen, der nicht durch meine toten Ohren drang, sondern sich einen direkteren Weg in mein Gehirn suchte – oder vielleicht auch in meine Seele, falls ein Exorzist überhaupt über einen solchen Luxus verfügte.
    Der Schrei klang wie »Daddy«. Es war das Wort, das Abbie hatte aussprechen wollen, als sie verblasste. Die Welt der Toten hatte eine sehr seltsame Akustik.

    Ich wehrte mich heftig gegen das Verlöschen des Lichts. In der Dunkelheit wild um mich schlagend, suchte ich einen Halt – irgendetwas, woran sich mein verwirrter Geist klammern konnte.
    Ich kam langsam hoch. Besser ausgedrückt, ich raffte mich zusammen, denn es fühlte sich an, als kröche mein Geist zaghaft von vorne, von hinten und von den Seiten wieder herein, um sich in meinem Schädel zu vereinen, der offenbar total zerbeult und seiner ursprünglichen Form beraubt worden war.
    Ich versuchte zu stehen und wurde ohne weitere Umstände auf die Knie hochgezogen, noch bevor meine Augen ihren Dienst ordnungsgemäß aufgenommen hatten. Verschwommen sah ich, wie eine Frau mein Blickfeld durchquerte, einen geringschätzigen Blick auf

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