Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
Durch ein Nachtsicht-Zielfernrohr betrachtet wäre die Kirche sicher nicht mehr gewesen als ein einziger riesiger Fleck, so rot wie Blut.
Ich fand Pen zuerst. Sie war bewusstlos, was mich keineswegs überraschte. Ich schob die Hände unter ihre Achselhöhlen und schleifte sie dorthin, wo sich meiner Erinnerung nach die Türen befanden. Ich hatte mich um ein paar Meter verrechnet, doch entlang der Außenmauer verlief ein rauchfreier Korridor, erzeugt durch eine verrückte Temperaturgrenze, so dass ich, sobald ich die Zone erreicht hatte, sehen konnte, wo ich mich befand und wohin ich mich wenden musste. Ich schleifte sie zum Kirchenvorraum – eine Art Lobby, die kaum drei mal drei Meter maß – und hinein. Danach entspannte ich mich erst einmal nach der tödlichen Gefahr, der ich in der Kirche vorher ausgesetzt gewesen war, obgleich ich mich an einem Ort von geradezu klaustrophobischer Enge befand.
Wenn ich darüber nachgedacht hätte, wäre mir natürlich klar geworden, dass jemand in Gwillams Truppe die Türen beobachtet haben musste. Es hätte absolut nicht zu ihm gepasst, sich eine solche Nummer entgehen zu lassen. Während ich Pen mit dem Kopf zur Tür auf den Boden legte, wo saubere, atembare Luft von draußen hereindrang, kam Po schwerfällig aus der wogenden Schwärze, von hinten angestrahlt von den Flammen der Hölle, und versperrte mir den Rückweg ins Kirchenschiff. Er war nicht einmal mehr entfernt menschlich, sondern er hatte die Gestalt des Hyänenwesens, das ich auf der
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und danach im Whittington Hospital gesehen hatte. Seine vorderen Gliedmaßen waren doppelt so lang wie die hinteren, so dass er aufrecht ging wie ein Menschenaffe.
Er kam grinsend auf mich zu. Dieses Grinsen war kein Ausdruck seines Amüsements, sondern es war eher eine Art Blankziehen seines bevorzugten Waffenarsenals, das wie ein Satz Steakmesser aus seinen Kiefern ragte. Ich beobachtete ihn genau und spannte mich, um im gleichen Moment zu springen wie er, aber in dem kleinen Vorraum reichte der Platz nicht aus, um mehr zu tun als mich zu ducken. Egal in welcher Richtung ich auswich, es wäre nicht weit genug, um aus seiner Reichweite zu gelangen.
Dann erschien eine zweite Gestalt hinter ihm und schritt ohne Eile aus dem tobenden Inferno auf ihn zu. Sie sah – nun, in diesem Moment sah sie so gut aus, dass ich sicherlich geweint hätte, wenn mir nicht bereits wegen des Qualms die Augen getränt hätten.
»Du hättest mich wecken sollen, Castor«, sagte Juliet vorwurfsvoll mit einem rauen Krächzen in der Stimme. »Beinahe hätte ich alles verpasst.«
Po zuckte zusammen und machte gleichzeitig einen Satz. Dabei stieß er ein entsetzliches Gebrüll aus. Er prallte mit Juliet zusammen wie ein mit Klauen und Reißzähnen bewehrter Meteorit und riss seine muskulösen Hinterläufe von unten hoch, um sie zu zerfleischen, während seine Fangzähne ihren Kopf packten.
Jedenfalls war dies seine Absicht. Sie duckte sich unter ihn, geschmeidig und elegant, fing ihn mit den Händen auf und warf ihn, indem sie seinen Schwung ausnutzte, in die nächste Bankreihe. Er kam sofort wieder hoch, aber Juliet war schneller. Als er Anstalten machte, sie erneut anzugreifen, hob sie eine der Kirchenbänke hoch und balancierte sie perfekt aus, als stellte ihr Gewicht keinerlei Problem dar. Dann schmetterte sie die Bank so schnell auf seinen Schädel und seine Schultern, dass sie vor den Augen verschwamm.
Erstaunlicherweise war von Pos Kampfeswillen noch immer einiges vorhanden. Es wäre sicherlich mehr gewesen, wenn er nicht so viel von dem Qualm hätte einatmen müssen. Er kam mit ihr auf Tuchfühlung, und sie gingen beide zu Boden, während sie von einer Wolke aus Rauch und Flammen eingehüllt wurden und nicht mehr zu sehen waren.
Ich kümmerte mich nicht weiter um Juliet, wohl wissend, dass sie das sehr gut selbst konnte. Nachdem das Ritual gescheitert war, hatte sich anscheinend jeglicher Zwang verflüchtigt, den Asmodeus auf sie hatte ausüben können. Ich vermutete, dass in der Kirche mittlerweile von ihm nichts mehr übrig geblieben war. Und wenn doch, dann sicherlich nicht in kampfbereitem Zustand.
Ich kehrte zu Pen zurück, öffnete die Kirchentüren mit einem Fußtritt und zog sie nach draußen auf den gepflasterten Vorplatz. Danach sank ich neben ihr auf die Knie und sog die kalte Luft in meine Lungen, als wäre sie ein exquisiter Wein. Und wie Wein machte sie mich benommen und bewirkte, dass ein Gefühl unendlicher
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