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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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schlimm«, sagte ich. »Ich komme auch ohne zurecht. Danke für alles, Detective Sergeant.«
    »Auch dafür, dass ich Sie in den Arsch getreten habe, als wir uns zum ersten Mal begegneten? Gern geschehen, Castor. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.«
    Basquiat ging hinaus, und Fields segelte hinter ihr her wie ein breiter Lastkahn hinter einem Schleppboot. Ich lauschte ihren Schritten im Flur und dann der Tür zum Zellenblock, die auf ihren Rollen zuglitt.
    Sobald ich sicher sein konnte, dass sie nicht zurückkamen, bückte ich mich und schob eine Hand in eine Socke. Es war leicht, die kleine Haarsträhne zu finden, denn sie juckte wie die Hölle, seit ich sie dort versteckt hatte. Das war in der Kirche gewesen, etwa zur gleichen Zeit, als die ersten Kugeln flogen. Ich hatte mich zwischen die Kirchenbänke geworfen, während die Satanisten und Gwillams Kreuzzügler aneinandergeraten waren, und ich hatte gedacht, dass dies eine günstige Gelegenheit für Abbie sei, sich von dem Medaillon zu trennen. Leer könnte das Medaillon für mich genauso nützlich sein wie eine pendelnde Taschenuhr für einen Hypnotiseur: etwas Hübsches und Glänzendes, das die Trottel ablenkt, während man tut, was getan werden muss.
    Und als Gwillam seine Nummer durchzog, erhielt ich die Bestätigung. Ich hatte ein Riesenglück, dass er sich die Ware nicht ansah, ehe er verschwand – wahrscheinlich wegen der Sirenen, die sich näherten.
    Wie ich bereits angedeutet habe, fielen mir meine kleinen Partytricks leichter, wenn ich eine Tin Whistle zur Hand hatte. Aber die Flöte war nur der Kanal. Die Musik selbst kam aus mir, und ich konnte sie auch ohne Hilfsmittel erklingen lassen, wenn ich musste. Vor allen Dingen wenn ich, wie in jenem Moment, mit einem Geist zu tun hatte, den ich ganz gut kannte.
    Auf dem Rand meiner Pritsche sitzend schloss ich die Augen und pfiff eine Melodie, die, für mich, mit Abbie gleichbedeutend geworden war. Ich begann leise und ließ den Klang von selbst wachsen, peu à peu, aber unaufhaltsam. Mein Nachbar in der Zelle nebenan protestierte lautstark, aber er befand sich außerhalb der Realität, die mich mit dieser Melodie verband, daher traf das, was er von sich gab, auf taube Ohren und zerfiel dann in bedeutungslose Sprachfetzen.
    Abbie materialisierte sich vor mir, etwa dreißig Zentimeter über dem Fußboden schwebend, und so langsam, dass sie mir zuerst vorkam wie eine Täuschung – etwa wie eines jener zufällig erscheinenden Objekte, die man nur bei einem bestimmten Lichteinfall erkennen konnte. Das überraschte mich nicht. Nach allem, was sie in ihrem Leben und dann nach ihrem Tod ertragen musste, konnte ich verstehen, dass sie nicht noch einmal gegen ihren Willen in die Gegenwart gezerrt werden wollte. Als sie mich sah, verstärkte sich ihr Widerstand. Sie wehrte sich gegen meinen Ruf, verblasste immer wieder zu nahezu völliger Unsichtbarkeit, kam jedoch jedes Mal etwas schärfer definiert, ein wenig lebendiger und sichtbarer zurück, während sich mein Gespür für sie verfestigte und ich ihre Seele immer besser in den Griff bekam.
    »Lass mich los!«, klagte sie mit einer dünnen Stimme, die aus unendlicher Ferne zu mir drang. »Lass mich los!«
    Schließlich hörte ich auf zu pfeifen und hielt für ein oder zwei Sekunden inne, um wieder zu Atem zu kommen. Es war mit einer Ausnahme die schwierigste Melodie gewesen, die ich je gespielt hatte, und ich war in diesem Moment nicht in der Lage, an Rafi zu denken.
    »Das ist meine Absicht, Abbie«, versicherte ich ihr. »Aber zuerst möchte ich dir erzählen, wie dein Vater gestorben ist. Was du versäumt hast. Damit du verstehst.«
    Sie starrte mich an, ihre durchscheinenden Fäuste voller Anspannung und Trotz geballt. Ich schilderte ihr, wie der Überfall aufs Oriflamme abgelaufen war und wie Dennis Peace den Tod gefunden hatte, als er sie gegen ihren bösen Stiefvater verteidigt hatte. Sie sah nicht aus, als glaubte sie mir – schließlich war sie mir bei den letzten beiden Gelegenheiten begegnet, als ich unter Umständen, die zum Himmel stanken, anscheinend einträchtig neben Fanke stand.
    Dann erzählte ich Abbie von der Kirche und weshalb ich meine Hand ins Feuer gehalten hatte. Ich zeigte ihr meine versengten Finger, um meinen Bericht zu unterstreichen, und ich denke, dass sie mir vielleicht in diesem Moment Glauben schenkte. Auf jeden Fall vergaß sie ihren Hass und ihre Angst und trauerte um ihren Vater – mit trockenen Augen, denn Geister

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