Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
Rafis isolierte Unterbringung aufrechterhalten werden müsse oder nicht, auf unbestimmte Zeit verschoben worden.
»Das bedeutet, dass Sie die Angelegenheit im Auge behalten müssen«, übersetzte Doktor Webb hilfsbereit. »Sie haben jetzt einundzwanzig Tage Zeit, Castor. Wenn Sie in diesem Zeitraum nicht mit irgendeinem Vorschlag rüberkommen, werde ich wohl Professor Mulbridge konsultieren mit dem Ziel, Ditko in die MOU im Paddington zu verlegen.«
»Dann schauen Sie immer hinter sich«, empfahl ich ihm.
Er begriff offenbar nicht und drehte sich reflexartig um. Wir standen im Hauptflur des Stanger vor Rafis Tür und der Flur war leer. Webb wandte sich leicht verärgert wieder zu mir um, als hätte ich ihm einen albernen Streich gespielt.
»Ich meinte«, erklärte ich geduldig, »Sie sollten darauf achten, was hinter ihnen vorgeht, wenn Sie Rafi Jenna-Jane zum Fraß vorwerfen. Denn wenn Sie das tun, werde ich Ihnen beide Arme und Beine brechen.«
Ungläubig sah Webb die beiden Krankenpfleger an, die ihn rechts und links flankierten – seine übliche Begleittruppe. »Ich habe Zeugen«, sagte er, »die deutlich hören konnten, wie Sie mir gedroht haben.«
»Ich bin sicher, dass ihre Aussagen von unschätzbarem Wert sein werden«, gab ich zu. »Aber Sie sind dann immer noch ein Querschnitter.«
Vielleicht war das ein wenig taktlos, aber in vieler Hinsicht war dies ein langer und ziemlich stressiger Tag gewesen. Und im Raum stand immer noch die Frage, wo ich diese Nacht schlafen würde.
Juliet und ich trafen uns in einem Straßencafé unweit der Unterkunft, in der sie wohnte. Sie verspätete sich, ohne sich dafür zu entschuldigen. Eine der anderen Bewohnerinnen habe Probleme mit einem gewalttätigen Ehemann, erzählte sie mir. Dieser Typ sei plötzlich aufgetaucht und habe versucht, seine Frau zu zwingen, mit ihm nach Hause zurückzukehren. »Daher musste ich einschreiten und helfen.«
»Wie, du meinst, du hast ihn verschlungen?«, fragte ich.
»Vor aller Augen? Nein, natürlich nicht. Ich will dort noch für einige Zeit wohnen, Felix.«
»Was dann?«
Sie trank ihren Espresso in einem Schluck und wischte sich die Lippen mit dem Handrücken ab. »Ich habe der anderen Frau gezeigt, wie sie es machen muss.«
»Wie muss sie was …?«
»Einem Mann ihren Willen aufzwingen.«
»Aha.« Ich wollte mehr wissen, angefangen mit dem, worin Juliet am Besten ist. »Indem sie ihre weiblichen Reize einsetzt?«
»Nein, ihre Schuhe vorwiegend. Und ich glaube, irgendwann kam auch eine leere Flasche ins Spiel.«
»Richtig, richtig.« Gewalt, natürlich. Das war das andere Gebiet, auf dem Juliet sehr gut war.
Irgendetwas beschäftigte sie, das konnte ich sehen. Etwas, das auszusprechen ihr schwerfiel. Ich versuchte, es ihr zu erleichtern. »Danke dafür, dass du mir den Werwolf vom Hals geschafft hast«, sagte ich. »Mir verdirbt es immer den Tag, wenn mir jemand die Wirbelsäule durch die Kehle rausreißt.«
»Es war mir ein Vergnügen«, erwiderte Juliet, und das meinte sie durchaus ernst. »Ich …« Sie zögerte und tastete sich um zwischenmenschliche Nettigkeiten herum, die für sie keinerlei Bedeutung hatten. »Ich glaube, ich sollte mich auch bei dir bedanken. Die Vorstellung, dass ich mich selbst aus dem Verkehr gezogen habe – dass ich mich vollständig in Asmodeus’ Gewalt begab –, ist schwer zu ertragen. Aber du hast mich beschützt, so weit du es konntest. Und hast mich zurückgeholt.«
»Das war brillant improvisiert«, sagte ich bescheiden. »Schließ mich in deine Memoiren ein. Und in dein Testament.«
»Und in meine Vagina?«
Ein Mundvoll Caffè Latte nahm nach bester Hollywoodkomödienmanier den Weg in die falsche Richtung. Indem ich mich weigerte, auch die Klischeereaktion aus Husten und Spucken hinzuzufügen, lief ich im Gesicht rot an und wartete darauf, dass das Gefühl, mir die Gurgel verbrüht zu haben, allmählich nachließ.
»Hätte ich denn anschließend noch meine Seele?«, fragte ich sie keuchend, sobald der Schmerz ein wenig abgeklungen war.
Juliet überlegte. »Wahrscheinlich«, sagte sie langsam. »Das kommt eigentlich nur darauf an, wie viel Selbstkontrolle ich aufbringen könnte. Zumindest würden ein paar Bissspuren zurückbleiben.«
Was ist das Leben wert, wenn man nicht bereit ist, einige Risiken einzugehen? Ich öffnete den Mund, um ja zu sagen, aber Juliet redete weiter.
»Wir müssen damit jedoch eine Weile warten«, sagte sie. »Heute probiere ich etwas Neues
Weitere Kostenlose Bücher