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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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woher?«
    »Er war wach.«
    Ich sah zu, dass ich rauskam, ehe sie anfingen, alte Varieténummern zum Besten zu geben. Der Regen ließ nach, deshalb marschierte ich mit meinem Kaffee und meinem Abbie-Kater zur Brücke auf der Acton Lane, wo eine Bank stand, von der aus man einen Blick sowohl auf den Bahneinschnitt und einen mit Unkraut überwucherten und mit Fabrikgebäuden gesäumten Abschnitt des Grand Union Canal hatte. Sie können mich ruhig einen hoffnungslosen Romantiker nennen, aber dieser Anblick gefiel mir irgendwie. London mit heruntergelassener Hose, aber immer noch darum bemüht, einen Teil seiner Würde zu erhalten.
    Ich saß da und trank die Koffeinbombe und versuchte, meine düstere Stimmung zu überwinden und gleichzeitig die Ansprechbarkeit meiner Nerven so weit zu steigern, dass es gefährlich gewesen wäre, wenn ich mich ans Steuer eines Wagens gesetzt hätte. Die beiden Ziele schlossen einander eigentlich aus, aber da ich keinen Whisky in Reichweite hatte, war der Kaffee das, von dem ich annahm, dass ich es in genau diesem Moment dringend brauchte.
    Die schmerzhafte Intensität von Abbies übrig gebliebenen Emotionen hatte mich total überrumpelt. Okay, psychologisch betrachtet sind Teenager wahre Gewitterstürme. Wenn sie traurig sind, sind sie sehr, sehr traurig. Aber dennoch … ein hübsches Mädchen aus einer wohlhabenden Mittelstandsfamilie? Eltern, die sie anscheinend vergötterten und offensichtlich mit ihrem Verlust nicht fertig wurden? Was war ihre Tragödie? Was hatte bewirkt, dass diese Woge von Kummer hochwallte, sich bis in ihr Spielzeug ergoss und Spuren zurückließ, die nicht mehr verschwinden wollten?
    Das wollte ich wissen. Und ich denke, am Ende war dies der Grund, weshalb ich »vielleicht« anstatt »nein« gesagt hatte.
    Ich trank den Rest Kaffee, der mir anscheinend nicht viel half, und kehrte in mein Büro zurück. Ich konnte mir damit Zeit lassen, aber es beschäftigte mich jetzt. Daher könnte ich auch gleich in Erfahrung bringen, wie weit Abbies verwaiste Schätze mich voranbrachten. Ich würde an nicht viel anderes denken können, ehe ich mir darüber Klarheit verschafft hätte.
    Nachdem ich die Tür verriegelt und den Telefonstecker aus der Wand gezogen hatte, zog ich den Mantel aus und setzte mich an den Schreibtisch. Ich legte die Flöte auf die rechte Seite, war aber noch nicht bereit, darauf zu spielen. Zuerst musste ich mir klarmachen, nach was ich eigentlich suchte.
    Ich berührte die Puppe ganz behutsam mit den Fingern und spitzte meine seelischen Ohren. Das Leid der toten Abbie war sofort wieder da. Es war wie die Endlosschleife eines Tonbands voll mit vor langer Zeit erfahrenem Kummer, versteckt hinter dem aufgemalten Lächeln und der seltsam abgeflachten Form, wozu Zeit und Umstände der mit Lumpen ausgestopften Puppe verholfen hatten. Diesmal konzentrierte ich mich längere Zeit darauf und achtete genauer auf die verschiedenen Nuancen und Ausdrucksformen. Mit der linken Hand ergriff ich gleichzeitig die Cloisonné-Haarspange, die um einiges jünger erschien als die Puppe. Zwar war ihre Ausstrahlung ein wenig anders, aber auch sie vermittelte den Eindruck unsäglichen Leids.
    Nach ungefähr fünf Minuten legte ich beide Gegenstände beiseite, ergriff meine Tin Whistle und setzte sie an die Lippen.
    Der erste Ton war leise, und ich hielt ihn längere Zeit. Ein zweiter Ton folgte, genauso verhalten, aber als man schon annehmen konnte, dass er verstummte, verstärkte er sich zu einem laut hallenden Triller, der schließlich die Melodie in Gang setzte. Es war keine Melodie, die ich schon mal gehört hatte oder die ich unbewusst komponierte, während ich spielte. Mein Geist war so passiv wie irgend möglich und reagierte spontan auf den Widerhall von Abbies Unglück, der meinen Kopf ausfüllte. Ich verwandelte sie in Musik. Beschrieb sie mit dem Medium, das ich im besten beherrschte: Musik. Sandte einen geistigen Fahndungsaufruf aus:
Wer hat dieses Mädchen gesehen?
    In Spiritistenkreisen wurde so etwas gewöhnlich als Beschwörung bezeichnet, aber die Angehörigen meines Gewerbes nannten es einfach magisches Lasso. Es war die erste Phase eines Exorzismus. Ehe man einen Geist entfernen konnte, musste man ihn binden. Man musste seinen Willen um ihn schlingen wie ein Klebeband, auch wenn das kein besonders schönes Bild war und ich mir wünschte, mir wäre es nicht eingefallen. Jedenfalls übermittelte ich Abbie, wo immer sie sich aufhielt, dass sie ab jetzt nach

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