Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
Castor.« Nickys Stimme reichte nicht besonders weit, daher war es kein lauter Ruf – lediglich eine Art unterschwelliges, drängendes Murmeln, das aus keiner bestimmten Richtung zu mir drang, sondern zusammen mit den winzigen Schwaden Wasserdampf über den Fußboden kroch. Ich entdeckte ihn trotzdem. Er stand hinter einer Reihe dürrer Bambusstängel und sah aus wie Davy Crockett im Alamo – nur dass die Pistole in seiner Hand kein Museumsstück war, sondern eine massive Dienstwaffe mit einer Menge Meilen auf dem Tacho, aber einem trotzdem immer noch ganz schön gefährlichen Aussehen. Nicky wirkte ebenfalls entschlossen. Gewöhnlich ließ ihn die künstliche Bräune, die er sich immer ins Gesicht schmierte, ein wenig aussehen wie einen Clown, aber die Pistole, die er in der Hand hatte, verlieh ihm eine Ernsthaftigkeit, die einem jedes Lachen im Hals steckenbleiben ließ.
»Hast du verdammt noch mal den Verstand verloren?«, fragte ich ihn.
»Nee. Da draußen in der großen Stadt ist eine verdammt miese Scheiße im Gang, und ich habe nicht die Absicht, darin verwickelt zu werden. Knöpf einfach deinen Mantel auf, damit ich sehen kann, ob du eine Waffe bei dir hast.«
»Nur das Übliche, Nicky. Es sei denn, es ist eine neckische Umschreibung für …«
»Tu es, Castor. Ich frage zum letzten Mal.« Diesmal ein wenig lauter, was bedeutete, dass er eigens aus diesem Anlass einen tiefen Atemzug gemacht hatte. Wenn er nicht redete, vergaß er es gewöhnlich.
Während ich einige unfreundliche Worte hinunterschluckte, knöpfte ich meinen Paletot auf und drehte mich nach links und rechts. »Da siehst du es«, sagte ich. »Kein Schulterholster. Keine Patronengurte. Noch nicht mal eine Machete im Gürtel. Ich muss dich leider enttäuschen.«
»Wenn du mich enttäuscht hättest, würdest du es wissen. Dreh die Taschen um.«
»Lieber Gott, Nicky.«
»Ich sagte doch – es ist nichts Persönliches. Wir sind Freunde, soweit man das so nennen kann. Wenn ich jemandem vertrauen würde, dann wärst du es. Aber wir bewegen uns heute auf unbekanntem Terrain, und ich werde verdammt noch mal kein Risiko eingehen.« Seine Hand wischte über die Pistole in seiner Hand, einmal vor, einmal zurück, und ich hörte ein Geräusch, das ich aus zahllosen Kinofilmen kannte und vielleicht zweimal in der Realität gehört hatte. Es war der Klang vom Zurückziehen und Vorschieben des Schlittens beim Spannen einer automatischen Pistole.
Ich schenkte mir weitere Einwände. So viel schleppte ich auch nicht in meinen äußeren Taschen herum. Was ich dort fand – Schlüssel, Portemonnaie, ein Schweizer Armeemesser mit einem Werkzeug, um Steine aus Pferdehufen zu entfernen –, holte ich heraus und ließ es auf den Boden fallen. Jedoch war ein zweiter Satz Taschen in das Innenfutter meines Mantels eingenäht, und mit den Dingen, die dort aufbewahrt wurden, ging ich ein wenig behutsamer um: ein antikes Messer mit einem mit Intarsien verzierten Griff; ein kleiner Kelch aus angelaufenem und stark oxidiertem Silber; der Porzellankopf von Abbies Puppe. All dies legte ich vorsichtig nacheinander auf den Fußboden. Zuletzt kam die Tin Whistle. »Mit nur einer Hand«, warnte Nicky, während ich die Flöte hervorholte und hochhielt. Wenn es nach ihm ging,
war
dies eine Waffe – und sie trug seinen Namen.
Allmählich reichte mir dieses Theater, und ich hatte Lust, dem ziemlich heftig ein Ende zu machen. Langsam, mit sorgfältig abgezirkelten und übertrieben harmlosen Bewegungen bückte ich mich und legte die Flöte auf den kahlen Zementboden. Gleichzeitig versetzte ich ihr mit dem Daumen einen leichten Stups, so dass sie ein Stück rollte. Ich wusste, dass Nickys Blick ihr folgen würde, so wie man einer Granate ohne Sicherungsstift nachschaut. Dann ging ich ein wenig tiefer in die Knie. Der Plastikeimer mit der Bambuspflanze am Ende der Topfreihe befand sich in Reichweite meiner linken Hand. Ich streckte sie aus und legte die Finger unter den Rand des Eimers.
Dann stand ich in einer fließenden Bewegung auf, und der Eimer kippte um. Mit ihm natürlich die Pflanze darin. Sie stieß gegen die benachbarte Pflanze und startete eine Kettenreaktion, die klang wie ein Wind, der durch einen Bambuswald fuhr. Und Nicky stand in der Reihe, als wartete er auf eine Strafe. Ohne einen Seufzer oder ein Stöhnen oder einen Schrei – weil er dazu nicht genügend Luft eingeatmet hatte – ging er zu Boden. Sein Kopf prallte mit einem dumpfen Laut gegen die Wand, aber
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