Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
nicht in der Stimmung, dir irgendeinen Gefallen zu tun, Castor. Du hast mir auf die Hand getreten. Ist dir klar, was ich durchmachen muss, um einen Knochen zu reparieren? Ich habe keine Antikörper. Keine verdammten weißen Blutkörperchen. Ich habe nur meine beiden Hände.«
»Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.«
»Als ob mich das interessiert.« Ich wollte anfangen die Sekunden zu zählen, aber die Pause war zu kurz. »Was ist es?«
Die Grundlage meiner Beziehung mit Nicky war ein System verschiedener Ausdrucksformen eines gnadenlosen Pragmatismus. Da er tot und rein fleischlich wiederauferstanden war – ich vermeide den umstrittenen Begriff »Zombie«, der neuerdings von der Regierung als Hasswort verurteilt wurde –, kam Nicky nicht mehr so weit herum wie früher. Viel lieber kühlte er seinen Körper auf eine Temperatur herunter, bei welcher der Vorgang der organischen Verwesung bis auf ein kontrollierbares Minimum verlangsamt werden konnte. Ihn umgab nach wie vor ein Aroma aus Formaldehyd und Gänseleberpastete, aber das milderte er mit Old-Spice-Aftershave, und da die meisten anderen lebenden Toten, denen ich bisher begegnet war, rochen wie eine Kühltruhe voll verdorbenen Fleisches, war das ziemlich beeindruckend.
Aber seine begrenzte Mobilität hatte zur Folge, dass er in einigen Dingen auf das Entgegenkommen und die Hilfe von Fremden angewiesen war – nämlich jenen vergleichsweise wenigen Fremden, denen die Gesellschaft von Toten nicht unangenehm war. Daher brachte ich ihm, wann immer ich etwas von ihm wollte, ein Geschenk mit, um den Handel zu versüßen. Er liebte edle französische Rotweine kleiner, unbekannter Weingüter – er inhalierte ihren Duft wie einer von Henry Butler Yeats’ Geistern – und seltene Jazzschallplatten. Dieses Zeug in die Finger zu bekommen, ohne mich dabei finanziell zu ruinieren, war ein ständiger Kampf. Heute hatte ich jedoch ein absolutes Highlight. Wortlos reichte ich es ihm – eine Ebonitplatte in einer stabilen Papphülle, auf einer Seite mit Briefmarken im Wert von drei Cents beklebt. Nicky drehte sie um, las den Text auf der Rückseite und sagte für eine Weile gar nichts. Dann gab er sich einen Ruck. »Verdammt, Castor, wie groß ist der Gefallen, den ich dir tun soll?«
Es war eine absolute Rarität, nämlich eine Schallplattenaufnahme von Buddy Bolden, dem schon in frühen Jahren dem Wahnsinn verfallenen Kornettisten, der – jedenfalls einigen Berichten zufolge – praktisch im Alleingang den New Orleans Ragtime in Jazz verwandelte. Auf der A-Seite befand sich »Make Me a Pallet«. Eine B-Seite gab es nicht, was unter den gegebenen Umständen nicht von Bedeutung war. Allgemein wurde angenommen, dass Bolden keine Aufnahme von seinen Werken hinterlassen hatte, aber ich hatte Quellen, die ein Nein nicht als Antwort gelten ließen.
»Es sind zwei Gefallen.«
»Lass hören.«
»Nummer eins ist einfach. Du musst mir ein paar Informationen über einen tödlichen Unfall verschaffen. Ein Mädchen namens Abigail Torrington – Zeitrahmen irgendwann im Sommer des vergangenen Jahres. Sie ist während eines Schulausflugs ertrunken. Andere Kinder sind dabei ebenfalls ums Leben gekommen.«
Er setzte sich an den Tisch und tippte ein paar Details in ein Notiz-Programm.
»Okay. Bis jetzt ist es ein Gefallen für ein Exemplar von
Ronco Twenty Golden Greats
. Was macht das Ganze zu einem Buddy-Bolden-Gefallen? Scheiße, ich glaube, du hast tatsächlich einen meiner Handknochen gebrochen, du übernervöser Bastard.«
»Nummer zwei ist ein wenig schwieriger. Ich suche jemanden, der nicht gefunden werden will. Einen Mann namens Dennis Peace.«
»Wie wird ›Peace‹ geschrieben?«
»So wie das, von dem John Lennon in seinem Song fordert, dass man ihm eine Chance geben soll. Der Typ ist Exorzist, und nach dem, was ich bisher schon weiß, soll er verdammt gut sein. Alles, was du über ihn herauskriegst, verbessert meine Chancen gegen ihn – und glaub mir ruhig, wenn ich sage, dass ich jede Hilfe brauche, die ich kriegen kann.«
»Hast du noch mehr für mich? Seine letzte bekannte Adresse? NHI -Nummer? Bekannte Geschäftspartner?«
Ich nannte ihm die East-Sheen-Adresse, die Steve Torrington mir per Telefon mitgeteilt hatte. »Das ist so ziemlich alles, was ich habe. Außer dass er vor ein paar Jahren in einen Behandlungsfehlerprozess verwickelt war – als Opfer.« Ich zögerte und überlegte, ob ich ihm erzählen sollte, was geschehen war, als ich Peace mittels
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