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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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grandiosen Namen wie Majestic oder Royal umgebaut. Während der nächsten dreiundzwanzig Jahre waren dort Softpornos für abgespannte Bankmanager zu Preisen vorgeführt worden, die hoch genug gewesen waren, um das Gesindel abzuschrecken. Nun war es wieder tot. Niemand empfand darüber auch nur einen Anflug von Trauer, und Nicky hatte es zu einem Spottpreis erworben.
    Es war für ihn das perfekte Zuhause. Auch er war auferstanden und drehte seine zweite Runde.
    Ich ging nach hinten, kletterte am Regenrohr hoch und durch ein unverriegeltes Fenster, da die Vorderseite vollkommen mit Holzbrettern verrammelt war. Die Stadtverwaltung hatte seinerzeit die Holzplatten anbringen lassen, aber Nicky hatte noch einige weitere Sperren hinzugefügt. Man konnte Nickys Dienste in Anspruch nehmen, wenn man seinen Preis kannte, aber er hatte für Laufkundschaft nicht viel übrig.
    Drinnen war es dunkel und kalt, da auch Wärme etwas ist, womit Nicky nichts zu tun haben wollte. Als ich durch den breiten, kahlen Korridor zur Projektionskabine ging, fächelte mir ein Luftzug arktischer Herkunft um die Fußknöchel. Ich klopfte an die Tür, und nach ein paar Sekunden drehte sich die Überwachungskamera über mir, um ein besseres Bild zu erhalten. Ich war unterwegs natürlich an drei anderen Kameras vorbeigekommen, daher wusste er verdammt genau, dass ich es war, aber Nicky liebte es, einen daran zu erinnern, dass der Große Bruder einen ständig im Auge hatte. Es ging ihm nicht so sehr um Sicherheit – obgleich er Sicherheitsmaßnahmen noch ernster nahm als Imelda Marcos ihre Schuhe –, sondern es war eher so etwas wie die Demonstration eines philosophischen Standpunkts.
    Die Tür öffnete sich, ohne zu knarren, jedoch begleitet von wogendem Dunst in Fußbodenhöhe ähnlich dem Raucheffekt einer mit geringer Leistung laufenden Trockeneismaschine. Entweder war es eine Nebenwirkung von Nickys extrem aufgemotzter Klimaanlage, oder es gehörte zu seiner Selbstinszenierung.
    Ich drückte vorsichtig gegen die Tür, trat jedoch nicht sofort ein. Ich platzte ungern ohne ausdrückliche Einladung herein, denn dies war der Wohnturm von Nickys kleiner Burg – und er dachte wirklich in solchen Begriffen. Er hatte alle möglichen Todesfallen und Hinterhalte installiert, um Leute davon abzuhalten, seine Privatsphäre zu verletzen. Einige waren genial, wenn nicht gar sadistisch. Nach meiner Erfahrung gab es niemanden außer einem Zombie, der sich mehr unterschiedliche und interessante Möglichkeiten ausdenken konnte, lebendiges Fleisch zu misshandeln.
    »Nicky?«, rief ich und öffnete die Tür mit der Fußspitze ein wenig weiter.
    Keine Antwort. Nun, irgendjemand musste die Tür aufgeschlossen haben, und jemand musste die Kameras bedienen. Indem ich mein Leben – oder zumindest die Integrität meiner Eier – in die Hand nahm, trat ich in eine Kälte, die man vernünftigerweise nur als grabesgleich bezeichnen konnte.
    Ich schaute mich um, von Nicky jedoch keine Spur. Die Vorführkabine war größer, als diese Bezeichnung vermuten ließ. Im Grunde war es eine Halle im ersten Stock mit einer sehr hohen Decke, die offensichtlich für den Wärmeaustausch förderlich war. Nicky lebte hier oben mit seinen Computern und allem anderen, woran sein kaltes, kaltes Herz hing. Seinerzeit gehörte dazu ein hydroponischer Garten, der trotz der klirrend kalten Temperaturen bestens zu gedeihen schien. Unterteilt wurde der Raum durch einen Schirm aus unterernährten Bambuspflanzen, die in Eimern mit einer giftig aussehenden, braunen Brühe standen. Die höchsten Pflanzen streckten sich bis zur Decke und breiteten sich mit ihrem Laub darunter aus – sie griffen nach den Sternen, nur um sich geschlagen zu geben, wie Leonard Cohen einmal in einem seiner Titel gesungen hat. Sie waren so weit gewachsen, wie sie konnten, ohne sich zu bücken und horizontal weiterzuwuchern, und balancierten, wie es aussah, sehr unsicher in den Plastikeimern, die ihr armseliges Zuhause darstellten.
    Normalerweise saß Nicky am Computer-Terminal auf der anderen Seite des Raums – oder er stand vielleicht, auf die Ellbogen gestützt, vor dem Kartenschrank rechts von mir und studierte Pläne und Karten von London und der Welt, die über und über mit seinen eigenen rätselhaften Symbolen vollgekritzelt waren. Aber beide Plätze waren in diesem Moment verwaist.
    »Hey, Nicky«, rief ich ein wenig ungehalten. »Wo du auch gerade bist, mach auf. Die Taxiuhr läuft.«
    »Knöpf den Mantel auf,

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