Felsen der Liebe
möglich zu machen. Am frühen Nachmittag ging er mit ihr schwimmen, und die beiden blieben stundenlang weg.
Er hatte Meg vorgeschlagen mitzukommen – natürlich nur der Höflichkeit halber –, aber sie hatte unter dem Vorwand abgelehnt, arbeiten zu müssen. Ihr derzeitiger Auftrag war recht lukrativ, da der Werbespot im Fernsehen ausgestrahlt werden sollte und nicht im Radio wie sonst üblich. Sie sollte einen Jingle für eine fettarme Wurst schreiben, die abscheulich schmeckte. Da sie sich jedoch nicht konzentrieren konnte, saß sie einfach da, schaute aus dem Fenster und hing ihren Gedanken nach.
Seit ihrer Ankunft verspürte sie den unwiderstehlichen Drang, in den Turm im Westflügel zu gehen. Am Vorabend war es zu spät gewesen, denn Guy hatte sie in London abgeholt, und wegen des dichten Wochenendverkehrs hatte die Fahrt sehr lange gedauert. Jetzt konnte Meg der Versuchung nicht länger widerstehen. Während ihres ersten Aufenthalts in Heron’s View hatte sie im Turm gewohnt, und dort hatte sie auch mit Guy geschlafen.
Obwohl ihr klar war, dass es ihr nicht dabei helfen würde, die Vergangenheit zu bewältigen, war es wie ein Zwang. Die Zimmer schienen unverändert, sogar die Möbel waren noch dieselben. Als sie das große Doppelbett betrachtete, stellte Meg sich unwillkürlich vor, wie Guy und sie zusammen darin gelegen hatten. Sie hatten nicht nur miteinander geschlafen, sondern auch stundenlang geredet.
Nun fragte sie sich, wie sie damals so naiv hatte sein können. Guy hatte mit ihr geschlafen, weil sie die Frau seines Bruders gewesen war. Er hatte ihr lediglich beweisen wollen, dass er sie haben konnte.
Dafür hatte sie ihn gehasst – mehr, als sie Jack jemals gehasst hatte. Sie hatte Jack ziemlich schnell durchschaut. Er war unreif, egoistisch und impulsiv gewesen, während Guy stets gewusst hatte, was er tat. Er verlor niemals die Kontrolle über sich und war berechnend – ein Mann, der keine Schwächen hatte.
Vom Turmfenster aus beobachtete sie, wie er mit Maxine in seinem Cabrio zurückkehrte, das er im Sommer benutzte. Maxine strahlte übers ganze Gesicht und schaute ihren Onkel voller Bewunderung an. Gehörte das etwa zu seinem Plan? Wollte er sie auf seine Seite bringen, indem er die Vaterrolle übernahm? Als ihr die Ironie der Situation bewusst wurde, verspürte Meg ein seltsames Gefühl in der Magengegend. Sie eilte wieder in ihr Zimmer im Ostflügel, ehe Guy merken konnte, wo sie gewesen war.
“Ich glaube, er hat eine Freundin”, verkündete Maxine, als sie in Megs Zimmer stürmte.
“Was?” Meg, die auf ihrem Bett saß und so tat, als würde sie arbeiten, blickte von ihren Notenblättern auf.
“Onkel Guy”, erklärte Maxine entnervt. “Er hat eine Freundin. Wir haben sie in St. Ives getroffen.”
“Tatsächlich?”, erkundigte Meg sich betont desinteressiert, während sie ihre Gefühle zu ergründen versuchte. “Was habt ihr in St. Ives gemacht?”
“Wir sind in der Nähe am Strand gewesen”, berichtete Maxine. “Danach hat Onkel Guy mich zum Eis eingeladen.”
“Meinst du nicht, dass du dafür zu alt bist?” Kaum waren die Worte heraus, bedauerte Meg sie bereits.
“Du erzählst mir doch immer, dass ich erst zwölf bin und es mit dem Erwachsenwerden noch Zeit hat. Und jetzt sagst du …”
“Ja, ich weiß”, unterbrach Meg ihre Tochter. “Es tut mir leid. Ich glaube, ich bin nur etwas nervös.”
Offenbar beschloss Maxine, ihr gegenüber großzügig zu sein. “Kommst du mit deiner Arbeit nicht so gut voran?”
“Nein”, gestand Meg, womit sie jedoch nur die halbe Wahrheit verriet. Sie konnte sich nicht damit abfinden, dass Maxines Verhältnis zu ihrem richtigen Vater immer besser wurde.
“Kein Wunder. Sie schmecken wie Gummihandschuhe.”
Maxine hatte die Würstchen probiert, und Meg fragte sich unwillkürlich, wie Gummihandschuhe wohl schmecken mochten.
Leider griff Maxine das vorherige Thema wieder auf. “Sie heißt Elizabeth und ist sehr elegant, aber ziemlich alt. Ich glaube, sogar älter als du.”
“Was, so alt?”, entgegnete Meg gespielt entsetzt. Es kostete sie große Überwindung, keine Fragen über die ominöse Elizabeth zu stellen.
Doch Maxine plapperte schon munter weiter. “Aber anscheinend ist sie reich. Heute Abend geht er mit ihr aus. Wir sind also allein”, fügte Maxine traurig hinzu.
“Erwarte nicht, dass Guy ständig etwas mit dir unternimmt”, warnte Meg sie leise. “Schließlich lebt er sein eigenes
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